Radioactive -Die Verstossenen
Grund scheint er mir nicht antworten zu wollen.
„Er sagt, er hätte es vergessen“, reagiert nun Pep für ihn. Seiner Stimme ist deutlich anzuhören, dass er Gustav nicht glaubt.
Prüfend blicke ich in den Rückspiegel auf Gustavs friedliches Gesicht. Schläft er wirklich oder tut er nur so? Er schnarcht bereits seit über einer Stunde vor sich hin, das würde eine große schauspielerische Leistung erfordern.
Obwohl die Zwillinge das genauso zu sehen scheinen, flüstert Jep , als er die Behauptung seines Bruders fortführt: „Sonst erinnert er sich an jedes noch so kleine Detail und ausgerechnet so etwas Entscheidendes soll er vergessen haben?! Ich glaube ihm kein Wort.“
„Aber warum sollte er lügen?“, spreche ich laut aus, was mir in dem Moment durch den Kopf geht.
„Vielleicht um uns vor irgendetwas zu schützen“, stellt Pep in den Raum, worauf sein Bruder widerspricht: „Oder um sich selbst zu schützen, weil er vielleicht mehr weiß, als er zugeben will.“
„Er war Legionsführer“, gebe ich zu bedenken. Als Legionsführer wusste er über alle Pläne und Vorhaben bestens Bescheid . Er saß an der Quelle der Macht. Ich hatte mich schon gewundert, warum ausgerechnet ein Legionsführer zum Rebell werden sollte.
„Wer weiß, ob er nicht noch in Kontakt mit ihnen steht…“, wirft Jep ein, wird jedoch rüge von Finn unterbrochen: „Hört auf damit! Ihr könnt nicht über ihn reden, während er direkt zwischen uns liegt und schläft.“
Pep will sich jedoch nicht so leicht den Mund verbieten lassen. „Was sollen wir denn stattdessen tun? Die Augen verschließen, so wie du es tust?!“
Finns Hand schließt sich so fest um das Lenkrand, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Er wählt seine folgenden Worte mit Bedacht: „Er hat viel für uns alle getan. Ohne ihn gebe es keine Rebellen. Wir haben kein Recht , ihm zu misstrauen.“
Auch wenn seine Worte Gustav in Schutz nehmen sollen, hat er mit seiner Formulierung eine deutliche Aussage getroffen. Er hat nicht nur davon gesprochen, dass Jep, Pep und ich Gustav misstrauen, sondern sich selbst mit eingeschlossen. Aber warum verteidigt er ihn dann? Ist es nur, weil er Gustav kennt , seitdem er auf der Welt ist und er deshalb wie Familie für ihn ist? Oder weiß auch Finn etwas, dass er uns vorenthält? Teilt er vielleicht ein Geheimnis mit Gustav?
Erst als es so dunkel wurde, dass wir trotz der Scheinwerfer des Geländewagens die Holzpfeiler kaum noch erkennen konnten, schlugen wir unser Lager auf. Am nächsten Morgen brachen wir bei den ersten Sonnenstrahlen bereits wieder auf. Da keiner die letzte Nacht wirklich gut geschlafen hat, sind wir nun schlapp und weniger gesprächig als am Vortag. Dies ändert sich jedoch schlagartig , als am Horizont die ersten Umrisse von Zelten und Wägen zu erkennen sind. Neugierig richte ich mich in meinem Sitz auf und schirme meine Augen gegen die einfallende Sonne ab, um besser sehen zu können. Je näher wir dem Lager kommen, umso mehr Gestalt nehmen die wagen Umrisse an. Ich zähle drei weitere Geländewagen, weniger als ich gedacht hätte. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Aber als ich die Gruppe von zirka fünfzehn Menschen sehe, bin ich enttäuscht. In der Sicherheitszone leben weit über fünfhundert Menschen, in den verschiedensten Altersklassen. Sie verfügen über technisches Niveau und Wissen, wovon die Rebellen nicht im Geringsten etwas verstehen. Wie können sie also glauben, dass sie in der Lage wären , etwas gegen einen nicht nur zahlenmäßig weit überlegenen Gegner ausrichten zu können? Die Legion würde sie zerquetschen wie eine lästige Fliege. Ich schlucke , als mir bewusst wird, dass ich die Rolle der Fliege übernehmen werde. Denn schließlich wollen sie nicht irgendjemanden, sondern mich als Spion einschleusen.
Kaum, dass unser Wagen steht, eilen bereits die unterschiedlichsten Menschen auf uns zu. Sie begrüßen die anderen wie alte Bekannte, während sie mich scheu von der Seite mustern. Obwohl ich nun schon bald Monate unter den Rebellen lebe, scheint mir meine Herkunft deutlich ins Gesicht geschrieben zu stehen.
Umso glücklicher macht es mich , als Finn schließlich an meine Seite tritt und mir beruhigend seine Hand auf den Rücken legt.
„Das ist Cleo. Wir haben sie vor zwei Monaten aus der Sicherheitszone gerettet und konnten sie erfolgreich in unsere Gruppe integrieren.“
Seine Worte sind wie eine Ohrfeige für mich. Sie hören sich so falsch an, dass
Weitere Kostenlose Bücher