Radioactive -Die Verstossenen
selbst bin von den Neuigkeiten weniger überrascht als die meisten anderen. Es hat mich schon immer gewundert, dass die Legion die Rebellen neben sich hat existieren lassen. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen , das ganze Spiel zu beenden. Stattdessen haben sie die Rebellen für ihre Zwecke benutzt. Es würde mich nicht wundern, wenn die Legion sie die ganze Zeit aus der Luft heraus beobachtet hat, ohne dass sie es auch nur bemerkt haben. Aber warum? Was könnte sie an den Rebellen interessieren?
Fragend blicke ich zu Finn. Eigentlich erwarte ich, ihn mindestens so aufgebracht wie Sharon zu sehen, doch erstaunlicherweise wirkt er sehr gelassen. Ja, fast erleichtert. Auch Gustav scheint die ganze Erkenntnis nur wenig zu schocken. Ist das vielleicht sein Geheimnis? Wusste er davon?
„Zeigt es uns!“, fordert nun Sharon, wobei ihr gesamter Körper vor Spannung bebt. „Ich muss es mit eigenen Augen sehen.“
„Es ist dunkel. Wir sollten alle zur Ruhe kommen und morgen mit klarem Verstand über die Situation beratschlagen“, versucht Gustav sie zu beruhigen, doch seine Worte stacheln sie nur noch mehr auf.
„Niemand zwingt dich mitzukommen, alter Mann! Vielleicht kannst du Schlaf finden, ich kann es nicht. Wir haben genug Fackeln. Es gibt keinen Grund , auch nur noch eine Sekunde zu warten. Wer kommt mit mir?“
Die Leute aus der südlichen Legion stehen gemeinsam mit Sharon parat, zu ihnen gesellen sich ohne zu zögern die Menschen aus dem Norden. Auch Jep und Pep springen direkt auf. Sie sind in heller Aufruhr . Doch anders als die meisten scheinen sie den Ernst der Lage nicht zu verstehen, sondern alles noch immer für ein großes Abenteuer zu halten. Trotzdem geselle ich mich zu ihnen, denn auch ich bin neugierig , die Grenzen unserer Freiheit zu sehen.
Plötzlich legt sich Finns Hand auf meinem Arm. „Willst du wirklich mitgehen? Es reicht, wenn die anderen gehen. Sie werden uns schon alles berichten.“
Sanft, aber bestimmt streife ich seine Finger von meiner Haut. „Es wundert mich eher, dass es dich nicht interessiert.“ Ich meine es nicht böse und trotzdem klingen meine Worte schärfer als beabsichtigt. Er fixiert mich mit seinem Blick und das kühle Blau seiner Augen leuchtet mir durch die Dunkelheit entgegen. „Was willst du damit sagen?“
Herausfordernd reckt er mir sein Kinn entgegen. Er benimmt sich , als hätte ich ihn beleidigt, aber vielleicht habe ich ihn auch nur ertappt. Denn seine Haltung verrät mir, dass er glaubt , sich mir gegenüber verteidigen zu müssen.
„Früher warst du nicht zu halten, wenn es um die Unterdrückung durch die Legion ging , und jetzt willst du dir die Mauer nicht einmal ansehen. Findest du das nicht selbst auch etwas komisch?“
„Vielleicht habe ich meine Sichtweise einfach geändert.“
„Warum solltest du das tun?“
„Weil du mir gezeigt hast, dass nicht alles, was die Legion hervorgebracht hat, schlecht ist.“
Ich glaube meinen Ohren kaum. Was ist nur mit ihm passiert, dass er plötzlich die Dinge so anders sieht?
„Die Legion hat deine Eltern getötet und hält deine Schwester gefangen. Hast du das etwa vergessen?“
Mit einem lauten Klatschen landet seine Hand auf meiner Wange. Ein Brennen zischt sofort durch meine Haut und lässt mich erschrocken aufschreien. Er hat mich geschlagen. Damit hätte ich nie gerechnet. Er war selten nett zu mir. Aber selbst als ich ihm noch geglaubt habe, dass er mich hasst, hat er mich nie angerührt.
Seine Hand schwebt zwischen uns in der Luft. Er selbst betrachtet sie , als gehöre sie nicht zu seinem Körper, bevor er wütend den Blick auf mich richtet.
„Ich könnte es nie vergessen. Aber ich dachte , ich hätte gefunden, wonach ich gesucht habe. Offensichtlich habe ich mich aber getäuscht.“
Ich verstehe seine Worte nicht und bin unfähig zu sprechen. Ein Arm legt sich warm um meine Schulter. Verunsichert blicke ich in Jeps tröstende Augen, während Pep Finn angeht.
„Spinnst du? Du kannst sie doch nicht einfach schlagen. Sie ist ein Mädchen, verdammt!“
Finn geht der Diskussion aus dem Weg, indem er uns den Rücken zukehrt und in Richtung der Zelte verschwindet.
„So ein Idiot!“, schimpft Pep weiter lautstark.
„Keine Sorge, du kannst heute Nacht bei uns schlafen“, versichert mir Jep mit einem schelmischen Grinsen. „Aber jetzt gehen wir uns erst einmal die berüchtigte Mauer ansehen.“
„Wenn wir Glück haben , läuft Finn vielleicht einmal gegen sie und wird zum
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