Radioactive -Die Verstossenen
Hals schlägt und Schweiß meinen Rücken bedeckt. Hektisch krabbele ich die Erhöhung empor, um stolpernd auf der anderen Seite wieder hinab zu rennen. Der Lichtkegel des Legionskämpfers ist mir ständig auf der Spur. Er hüpft und tanzt wie ein wildes Tier und lässt meinen Schatten übergroß erscheinen. Ich japse nach Luft , als die Steine unter meinen Füßen ins Rollen geraten. Der Länge nach schlage ich mit dem Rücken zu Boden. Die Luft entweicht meinen Lungen, während sich der metallische Geschmack von Blut in meinem Mund ausbreitet. Mein Kopf dröhnt von dem Aufschlag und raubt mir für einen Moment die Sicht. Schwer atmend robbe ich auf allen Vieren vor dem Kämpfer davon, obwohl ich mich bereits im Schein seiner Lampe befinde. Zu spät erkenne ich, dass ich in eine Sackgasse geflüchtet bin. Wände aus rotem Sandstein umschließen mich, während das blendende Licht direkt in meinen Rücken trifft. Die Schritte des C’lers C-lers sind nun so nah, dass ich jede seiner Bewegungen hören kann. So auch das metallische Klicken seines Lasergewehrs. Darauf ist er Jahre vorbereitet worden. Sie haben es in Trainingseinheiten immer und immer wieder geübt. Trotzdem weiß ich, dass die Wenigsten von ihnen je wirklich einen Einsatz mitmachen müssen. Wenn er mir nicht ins Gesicht blicken muss, wird es leichter für ihn sein, einen anderen Menschen zu töten . Aber so soll es nicht enden.
Mit einem Schwung fahre ich zu dem Fremde herum und richte meine Augen gegen das blende Licht seiner Lampe in Richtung seines Kopfes. Er soll sehen , wen er erschießt. Er soll mein Gesicht nicht mehr vergessen.
Das Gewehr ist bereits erhoben und sein Finger liegt über dem Abzug. Doch nichts passiert. Ich habe das Gefühl , als würden Sekunden verstreichen, während mein Herzschlag wild in meinen Ohren pocht. Der rote Punkt seines Gewehrs ruht direkt auf meiner linken Brust. Der Schuss wäre tödlich. Plötzlich erlischt das Licht und er verstaut das Gewehr auf seinem Rücken. Um uns herum ist das Knallen und Zischen von Bomben, Schüssen und elektrischer Ladung zu hören.
Die Lampe, die auf seinem Helm befestigt ist, dreht er nun in den Himmel, sodass sie mich nicht länger blendet. Mit seiner linken Hand fährt er an seinen Helm und betätigt die Sprechanlage:
„D518?“
Mein Herz setzt aus. Die Bezeichnung ist so fremd und bekannt zugleich. Das bin ich. Er kennt mich. Doch seine Stimme ist so verzerrt, dass ich ihn nicht erkenne. Die meisten Kämpfer sind zwar männlich, trotzdem könnte ich nicht sicher sagen, ob ein Mann oder eine Frau vor mir steht.
Ehe ich jedoch etwas erwidern kann, trifft ein schwerer Stein den Legionskämpfer am Kopf. Das Glas seines Helms zersplittert, sodass mir der Blick in sein Gesicht verwehrt bleibt. Aus den dunklen Hügeln kommt uns eine Gestalt entgegen gerannt. Kurz bevor er bei mir ankommt, erkenne ich ihn an seinem gewellten Haar. Es schimmert golden im Feuerschein der sich entladenden Blitze und Feuer. Meine Erleichterung ist unermesslich.
Ohne zu zögern , stürze ich Finn entgegen und lasse mich in seine ausgestreckten Arme fallen. Nur kurz drückt er mich an sich, bevor er meine Hand ergreift und mich durch die Verzweigungen der Hügel führt. Alleine seine Wärme zu spüren, nimmt mir einen Teil meiner Angst und lässt mich daran glauben, dass wir einen Ausweg finden werden. Finn gibt niemals auf und er wird es auch jetzt nicht tun.
Die Ungewissheit ist das Schlimmste an der Situation. Zitternd sitze ich neben Finn vor dem Zelteingang. Er hat seinen Arm schützend um meine Schultern gelegt. Auch wenn seine Wärme und Nähe mich beruhigen, kann ich die Bilder einfach nicht aus meinem Kopf löschen. Die toten Körper vor der elektrischen Mauer, das hilflose Geschrei zwischen den hochgehenden Bomben und das unentwegte Zischen des Stroms. Nach und nach treffen vereinzelte Personen wieder im Lager ein. Die meisten von ihnen sind nicht nur mit Staub bedeckt, sondern tragen Blut an ihrer Haut. Es ist nicht leicht zu sagen, ob es ihr eigenes oder das eines anderen ist. Eine von ihnen ist Sharon. An ihrer Stirn prangt eine große Platzwunde, aber sie hat es geschafft. Komischerweise hatte ich daran auch nie Zweifel. Sie ist wie Finn und wird sich immer durchschlagen, egal gegen was oder wen.
Vergeblich warten wir jedoch bisher auf die Zwillinge. Und je näher der Morgen rückt, umso geringer wird meine Hoffnung , sie lebendig wiederzusehen. Sie haben weder den Mut von Sharon noch den
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