Rächende Geister
den anderen. »Selbstverständlich wird dir alle Achtung erwiesen werden, wenn der traurige Tag kommt. Ich muss gestehen, dass ich Satipy gegenüber anders empfinde. Man wünscht keinen Skandal, aber unter diesen Umständen…«
Er beendete den Satz nicht, sondern eilte von dannen.
Esa lächelte spöttisch vor sich hin, als ihr klar wurde, dass Imhotep mit keinem Wort mehr jemals andeuten würde, sein geschätztes Weib sei vielleicht keinem Unfall zum Opfer gefallen.
14
Erster Monat des Sommers – 25. Tag
A ls die Mitglieder nach der Unterzeichnung des Teilhabervertrags vom Hof des Monarchen zurückkehrten, wurde allenthalben ein fröhlicher Geist spürbar. Die einzige Ausnahme bildete Ipy, der im letzten Augenblick wegen seines jugendlichen Alters von der Teilhaberschaft ausgeschlossen worden war. Infolgedessen war er in finsterer Stimmung und hielt sich bewusst abseits.
Imhotep ließ Wein auf den Vorplatz bringen, schlug Yahmose auf die Schulter und rief munter: »Trink, mein Sohn! Vergiss einmal deine Trauer. Lass uns nur an die kommenden guten Tage denken!«
Imhotep, Yahmose, Sobek und Hori leerten den Becher auf diesen Trinkspruch. Dann wurde ihnen die Nachricht gebracht, ein Ochse sei gestohlen worden, und alle vier Männer eilten davon, um die Angelegenheit zu untersuchen.
Als Yahmose eine Stunde später zurückkehrte, war er müde und erhitzt. Er ging zu dem Weinkrug, der immer noch dort stand. Er tauchte einen Bronzebecher hinein, ließ sich auf dem Vorplatz nieder und trank langsam den Wein.
Etwas später kam Sobek herbei und rief: »Ha, noch etwas Wein! Wir wollen auf unsere Zukunft trinken, die nun gesichert ist. Für uns ist wirklich ein freudiger Tag, Yahmose!«
»Ja, wirklich«, stimmte Yahmose zu. »Jedenfalls haben wir jetzt ein leichteres Leben.«
»Du bist immer so bescheiden, Yahmose.« Sobek lachte, während er sprach, tauchte einen Becher in den Wein, trank ihn in einem Zug aus und schnalzte mit der Zunge, indes er den Becher niedersetzte. »Jetzt wollen wir sehen, ob mein Vater immer noch ein solcher Hemmschuh ist, oder ob ich ihn zu neueren Methoden bekehren kann.«
»Ich würde an deiner Stelle langsam vorgehen«, rief Yahmose. »Du bist leicht zu hitzköpfig.«
Sobek lächelte seinem Bruder liebevoll zu. Er war in glänzender Stimmung.
»Alter Leisetreter«, neckte er.
Yahmose lächelte zurück.
»Das ist zum Schluss das beste Verfahren. Außerdem war unser Vater sehr gut zu uns. Wir dürfen ihn nicht ärgern.«
Sobek sah ihn neugierig an.
»Du hast unsern Vater wirklich gern? Du bist ein zartfühlendes Geschöpf, Yahmose! Ich schere mich um niemand, um niemand, außer um Sobek – er möge lange leben!«
Abermals leerte er einen Becher.
»Sei vorsichtig«, warnte Yahmose. »Du hast heute wenig gegessen. Wenn man den Wein trinkt…« Er brach ab, sein Mund verzerrte sich plötzlich.
»Was hast du, Yahmose?«
»Nichts weiter… ein plötzlicher Schmerz… es ist nichts…«
Aber Yahmose hob die Hand, um sich die Stirn abzuwischen, auf der mit einem Mal Schweiß ausgebrochen war.
»Du siehst schlecht aus.«
»Ich habe mich eben noch sehr gut gefühlt.«
»Solange niemand den Wein vergiftet hat…«
Sobek lachte über seine eigenen Worte und streckte den Arm aus, um nach dem Krug zu greifen. Doch jählings versteifte sich der Arm, und sein Körper knickte zusammen.
»Yahmose«, stieß er hervor, »ich auch…«
Yahmose stürzte mit einem halb erstickten Schrei zu Boden.
Sobek krümmte sich vor Schmerzen: »Hilfe! Holt einen Arzt… einen Arzt!«
Henet kam aus dem Haus gerannt.
»Was ist geschehen?«
Ihre aufgeregten Rufe ließen andere herbeieilen.
Die beiden Brüder stöhnten vor Schmerzen.
Yahmose sagte matt: »Der Wein… vergiftet… Holt einen Arzt…«
Henet schrie schrill: »Noch ein Unglück! Dieses Haus ist verflucht! Schnell! Lauft zum Tempel und holt den heiligen Vater Mersu, der ein erfahrener, geschickter Arzt ist!«
Imhotep schritt in der Haupthalle auf und ab. Sein schönes Linnengewand war schmutzig und zerknittert; er hatte sich weder gebadet noch umgezogen. Auf seinem Antlitz malten sich Sorge und Angst.
Aus dem Hintergrund des Hauses erklangen Jammern und Weinen; die Weiber, von Henet geführt, beklagten das neuerliche Unglück. Aus einem Zimmer hörte man die Stimme des Priesterarztes Mersu, der den reglosen Körper Yahmoses betastete und dabei betete.
Renisenb, die sich aus dem Frauenquartier gestohlen hatte, wurde von dem
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