Raecher des Herzens
er seinen Opfern damit eine große Gnade erwiesen. Celina brachte kaum mehr als ein Flüstern zustande. Doch sie musste die Frage stellen. »Auch seine Schwestern?«
»Ich gebe zu, das war eine Verschwendung. Aber das wird es auch sein, wenn ich Sie ins Jenseits befördere«, antwortete der Graf kühl. »Ich ahnte nicht, dass Rio und Sie einander so nahe stehen, aber ich hätte es mir denken sollen. Er hat Ihnen viel zu viel erzählt.«
Mit einem Sprung war der Graf bei Celina und packte sie am Arm. Sie war über das Gehörte noch viel zu schockiert, um sofort reagieren zu können. Er zog sie an seinen fetten Leib. Sein Arm umfing Celinas Taille wie ein Schraubstock. Es gelang ihm, sie an seine Seite zu ziehen. Celina wand sich und trat nach ihm. Doch er zerrte sie ungerührt in das kleine Schlafzimmer.
Das Bett füllte fast den ganzen Raum aus. Der Graf warf sie auf die Matratze und wäre sicher auf sie gefallen, wenn sie sich nicht schnell zur Seite gerollt hätte. Fluchend griff er in ihren weiten Rock und zerrte sie daran zurück in seine Reichweite. Celina kämpfte. Sie biss die Zähne so fest aufeinander, dass ihre Kiefer knackten. Ihre Nägel zerkratzten die Handgelenke des Grafen, suchten nach seinen Augen und zwangen ihn, den Kopf zurückzureißen. Dennoch gelang es ihm, sie vor sich auf die Matratze zu ziehen und sich auf ihre Brust zu werfen. Während sie sich verzweifelt unter ihm wand und dabei versuchte, sich auf einen Ellbogen zu stützen, um ihn abschütteln zu können, spürte Celina einen harten Gegenstand an den Rippen. Das konnte nur die kleine Pistole sein, die der Graf noch immer in der Westentasche trug. Wenn sie die Waffe doch nur hätte erreichen können!
Plötzlich erstarrte ihr Peiniger und stieß einen Laut aus, der wie eine Mischung aus Quaken und Grunzen klang.
»Du benimmst dich wie ein Schwein, lieber Onkel«, kam es spöttisch von oben. »Ich schlage vor, du lässt die Dame los. Sonst spieße ich dich auf wie einen Rostbraten.«
Rio.
Er hatte ruhig und fast besonnen gesprochen, doch es gab keinen Zweifel daran, dass er seine Drohung in die Tat umsetzen würde. Er war hier und stand mit dem Degen in der Hand über dem Grafen. Die Spitze der Waffe grub sich in die Speckfalte an dessen Kinn. Ein einzelner Blutstropfen kam zum Vorschein. Rio betrachtete ihn ungerührt.
Der harte Griff des Grafen erschlaffte. Celina gelang es, sich wegzurollen. Ihr Ekel verwandelte sich in eiskalte Wut. Vorsichtig drehte sich der Graf zu Rio um und stemmte sich in eine sitzende Position. Dabei drückte er eine Hand auf seinen Bauch. Seine hervortretenden Augen hingen an dem blauen Stahl der Klinge, deren Spitze ihm die Haut an der Kehle ritzte.
»Rio«, begann Celina. Sie sah, wie sich der Graf den Bauch rieb, als sei ihm übel. »Er hat ...«
»In der Tat«, sagte der Graf. Dabei hob er die Hand, in der nun die kleine Pistole lag. Wie ein tödliches schwarzes Auge starrte die Öffnung des Laufs direkt in Celinas Gesicht. »Nun wollen wir sehen, wer hier stirbt wie ein Schwein. Oder sollte ich lieber sagen, wie eine Sau?«
Zwanzigstes Kapitel
Nein!«, schrie Rio. Dann sprach er ruhiger weiter.
»Nein. Tu es nicht. Dein Zorn gilt nur mir allein. Die Dame zu bedrohen ist unnötig.«
»Bettle ruhig um ihr Leben. Dann wird es mir nur noch mehr Freude machen, deine Hure zu töten. Und jetzt nimm den Degen weg, sonst schmücke ich ihren schlanken Hals mit einer Kugel. Aus dieser Entfernung werde ich sie kaum verfehlen.«
Celina sah das kurze Aufflackern in Rios Augen. Wenn er die Klinge wegnahm, brachte er sich selbst um seinen Vorteil und lieferte sie beide der mehr als ungewissen Gnade des Grafen aus. Celina entging auch der Blick nicht, den Rio auf die Hand seines Onkels warf. Offenbar überlegte er, ob er es wagen sollte, ihn mit einem schnellen Stoß zu entwaffnen.
Rio presste die Lippen zusammen. Seine Augen wurden hart. »Ich könnte dich aufspießen, bevor du dazu kommst abzudrücken.«
»Versuch es ruhig, wenn du das Risiko eingehen willst.«
Der Schweiß des Grafen vermengte sich mit der Pomade aus seinem Haar und rann ihm in dicken Tropfen über das zerkratzte Gesicht. Trotzdem sprach er mit dem Hochmut eines Mannes, der sich für unbesiegbar hält. Er glaubte nicht daran, dass Rio ihn töten würde. Obwohl er selbst viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte und nicht gezögert hätte, einen weiteren Mord zu begehen, schien er es nicht für möglich zu halten, dass es auch ihm
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