Raecher des Herzens
vielleicht vergessen, ich nicht.« Dass der Graf tatsächlich glaubte, er könne ihrem Vater jede beliebige Lüge auftischen, machte Celina unsäglich wütend. Sie wollte diesem aufgeblasenen Gockel eine Lehre erteilen, die er nicht vergaß. Dafür war sie zu fast allem bereit.
»Auch Sie werden bald nicht mehr daran denken«, sagte der Graf mit einer lässigen Handbewegung. »Dafür werde ich schon sorgen. Außerdem kommen Sie als frischgebackene Komtess sicher bald auf andere Gedanken.«
Diese zynische Einschätzung ihres Charakters brachte für Celina das Fass endgültig zum Überlaufen. »Seltsam, dass Sie einer Frau, die Sie für allzu einfältig halten, eine solche Ehre erweisen wollen. Ich hätte eher erwartet, dass Sie sich unter den hochwohlgeborenen Damen Europas umtun oder wenigstens die Tochter eines spanischen Edelmannes ehelichen. Mich wundert, dass Sie sich stattdessen mit einer Braut begnügen, die gewisse Makel aufweist.«
»Gewisse Makel?«
Der Graf stutzte. Eigentlich hätte sich Celina freuen können, dass es ihr gelungen war, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch der harte Zug um seinen Mund entging ihr nicht. »Nun, ich bin zum Beispiel nicht mehr unberührt«, erklärte sie dennoch mit fester Stimme. »Diese Veränderung ergab sich vor nicht allzu langer Zeit. Aber sicher werden Sie mir zustimmen, dass sie nicht unwesentlich ist.«
»Warum weiß ich nichts davon?«
»Weil ich meinem Vater nichts gesagt habe.«
Vor Celinas Augen blies sich der Graf auf wie ein Frosch. »Und wie kam es dazu? Wer ist der Bastard, der Sie entjungfert hat?«
»Tut das etwas zur Sache?«, fragte Celina. Sie versuchte, einen herablassenden Ton anzuschlagen. »Eigentlich kommt es doch nur auf das Ergebnis an.«
»Es war de Silva, habe ich Recht? Er ist Ihnen nachgestiegen, hat Sie entjungfert und geschwängert, um sich an mir zu rächen. Aus reiner Boshaftigkeit und Rachsucht hat er Sie Ihrer Ehre beraubt. Und Sie haben aus Dummheit und Eitelkeit die Beine für ihn breit gemacht. Sie haben sich einem schneidigen jungen Haudegen an den Hals geworfen. Ich könnte Sie umbringen.«
Den Worten des Grafen fehlte die übliche Schwülstigkeit. Aus seiner Stimme sprach eiskalter Hass. Celina hatte ihn auf eine Art und Weise gedemütigt, die er ihr niemals verzeihen würde. Mit seinem Kommentar wollte er sie im Innersten treffen. Und es war ihm gelungen.
Celina hatte geahnt, dass Rio aus Gründen zu ihr gekommen war, die mit Liebe und Verlangen nur wenig zu tun hatten. Aber dass ihn allein Berechnung und Rachsucht zu ihr getrieben hatten, wäre ihr nie in den Sinn gekommen. Die Zärtlichkeit seiner Berührungen, die magischen Augenblicke ihres Liebesspiels konnten doch unmöglich derart niederen Gefühlen entspringen! Dennoch musste sich Celina eingestehen, dass der Graf wahrscheinlich Recht hatte.
»Nun sind Sie schockiert, nicht wahr? Wie drollig. Haben Sie etwa Ihr kleines Herz an diesen Mann gehängt, geglaubt, er begehre Sie um Ihrer selbst willen? Meinen Sie wirklich, er sorgt sich jetzt um Sie? Sie sind tatsächlich noch naiver, als ich dachte. De Silva ist ein Besessener. Er ist von den Toten auferstanden, um mich zu jagen. Er hat nur einen Grund, mich über Kontinente und Ozeane zu verfolgen, und der heißt Rache. Wenn es seinen Zwecken dient, ist diesem Mann nichts heilig - am wenigsten eine Frau, die sich zum Werkzeug seiner Rache machen lässt. Hat sie ausgedient, so lässt er sie fallen wie eine heiße Kartoffel und vergisst sie.«
Jedes Wort war wie ein Hieb. Innerlich zuckte Celina jedes Mal zusammen, doch sie wollte den Spanier nicht merken lassen, wie sie litt. Das Atmen wurde ihr schwer. Ihre Augen brannten, und ihre Kehle schmerzte vor unterdrückten Tränen. Sie würde keine Schwäche zeigen. »Wenn Rache alles ist, was für ihn zählt, warum hat er Sie dann nicht längst umgebracht?
Nichts wäre einfacher gewesen. Schließlich ist er ein Maitre d’Armes.«
»Mein Tod wäre ihm nicht genug. Er will mich finanziell ruinieren und mich in aller Öffentlichkeit lächerlich machen.«
»Ich glaube, das ist ihm heute gelungen.«
»Ohne Zweifel. Er versteht es, die Schwächen eines Mannes oder auch einer Frau auszunutzen. Aber das wissen Sie ja so gut wie ich.«
»So war es aber nicht!«
»Wie war es dann? Hat er von Liebe gesprochen? Ihnen Versprechungen gemacht? Nein, das ist nicht seine Art. Möglicherweise hat er sogar etwas für Sie empfunden. Wer weiß das schon? Aber wenn dem so war,
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