Raecher des Herzens
aufspießen zu können.«
»Vielleicht bin ich voreingenommen, aber mir scheint, Sie sollten lieber auf den Mann zielen, der Ihnen nach dem Leben trachtet.«
»Sie ist auf seiner Seite«, erklärte der Graf. Dabei fuchtelte er gefährlich mit der Pistole herum. »Sie ist seine Hure.«
»Sie fühlen sich als Verlobter betrogen und wollen Celina dafür töten? Glauben Sie denn, das würde mir nichts ausmachen? Sie ist meine Tochter, ist mein eigen Fleisch und Blut. Wenn Sie sie umbringen, töten Sie damit auch mich.«
In Celinas Kehle bildete sich ein dicker Kloß. Offenbar kümmerte es ihren Vater tatsächlich, was aus ihr wurde. »Danke, Papa«, presste sie hervor. »Aber der Graf kennt das Gefühl der Sorge um die Seinen gar nicht. Er hat seinen älteren Bruder und dessen Familie von gedungenen Mördern umbringen lassen. Rio ist sein Neffe. Er sollte mit den anderen sterben, doch er entkam. Der Graf wünscht noch immer seinen Tod. Er hetzte ihm Banditen auf den Hals, die ihn bei Nacht und Nebel beseitigen sollten. Als das nichts fruchtete, brachte er einen anderen Fechtmeister dazu, sich mit Rio zu duellieren, obwohl er verletzt ist. Sicher hätte der Graf keinerlei Skrupel, seinen Neffen zu erschießen, wenn es hier nicht so viele Zeugen gäbe.«
»Lügen und leeres Geschwätz!«, schrie de Lerida.
Doch nun richtete er die Pistole tatsächlich auf Rio. »De Silva ist nicht mein Neffe. Er ist ein Schwindler!«
Tante Marie Rose, die Celina noch immer im Arm hielt, hob den Kopf. »Sie irren, Monsieur.«
»Ich habe bislang keine derartige Behauptung aus Monsieur de Silvas Mund gehört«, sagte Celinas Vater streng. »Aber selbst wenn er sich als Ihr Neffe ausgeben sollte, ist das noch lange kein Grund, ihn zu töten. Nun stecken Sie doch endlich das Schießeisen weg, sonst kommt noch jemand zu Schaden.«
»Er wird mich abschlachten.«
»Vor Zeugen? Das glaube ich kaum. Monsieur de Silva?«
Rio zuckte die Achseln. »Ich halte mich schon seit meiner Ankunft in New Orleans zurück, also kann ich mich auch noch ein wenig länger gedulden.«
»Da hören Sie es!«, schrie der Graf. »Er gibt zu, dass er mir nach dem Leben trachtet.«
Celinas Vater musterte Rio finster. »Sie kamen also in der Absicht, Rache zu nehmen, in die Stadt?«
»Ja, das muss ich zugeben, Monsieur. Seit ich erfuhr, dass meine Familie ausgelöscht war, hielt mich der glühende Wunsch nach Rache am Leben. Er ließ mich Schläge, Hunger und Sklaverei an Bord eines Schiffes, das nach Algier segelte, ertragen. Auch während meines kurzen Aufenthaltes im Palast des Dey dachte ich an nichts anderes. Dann nahmen die Franzosen die Stadt ein und brachten mich nach Paris.«
»Lügen, nichts als Lügen!«
»Die Männer, die dafür bezahlt worden waren, mich zu töten, glaubten nicht, dass ich je aus der Sklaverei entkommen würde. Deshalb machten sie sich nicht die Mühe, irgendetwas vor mir zu verbergen. Ich erfuhr, dass mein Onkel ihnen viel Gold versprochen hatte. Dafür mussten sie meine Angehörigen im Schlaf töten. Er händigte ihnen sogar den Hausschlüssel aus, damit sie es einfacher hatten. Die Mörder mussten ihm anschließend diejenigen beschreiben, die sie im Schlaf abgeschlachtet hatten, und ich war nicht darunter. Die Wut meines Onkels kannte keine Grenzen. Also erhielten die Kerle den Auftrag, mir aufzulauern. Als ich im Morgengrauen des folgenden Tages heimkehrte, überwältigten sie mich. Ich sollte heimlich verscharrt werden, damit es so aussah, als wäre auch ich dem Feuer zum Opfer gefallen, das man legte, um die schreckliche Tat zu vertuschen. Aber mein Onkel war seinen Schergen einen Gutteil ihres Lohnes schuldig geblieben. Also beschlossen sie, mich zu verkaufen. Ich erfuhr von ihnen, wer hinter den Morden steckte, und fortan hielt nur der Hass mich am Leben. Er trieb mich in die harte Schule des berühmtesten Fechtmeisters von Paris. In jedem Gegner sah ich meinen Onkel. Doch ich lernte, meine Wut zu beherrschen. Sie wurde zu einer Waffe, die ich nur auf einen einzigen Mann zu richten gedenke.«
»Was für eine rührende Geschichte«, sagte der Graf sarkastisch. »Schade nur, dass kein Wort davon wahr ist.«
»Oh, aber ich ...«, begann Tante Marie Rose aufs Neue.
Monsieur Vallier hob die Hand. »Lassen wir den Mann zu Ende erzählen.«
Rio deutete eine Verbeugung an. »Viel gibt es nicht mehr zu sagen. Als ich schließlich bereit war, es mit meinem Onkel, einem weltgewandten und skrupellosen Mann, aufzunehmen, suchte
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