Raecher des Herzens
betrachtet ebenso gut aus wie von weitem? Ach bitte, chere, erzähl es mir und lass nichts aus!«
Celina spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Marthes Fragen machten sie verlegen. Gleichzeitig stellte sie staunend fest, dass sie nicht über Rio sprechen wollte. Das wäre ihr vorgekommen, als müsse sie ihn mit einer anderen teilen. »Es gibt nichts zu erzählen«, sagte sie. »Wirklich nicht. Das ist alles nur ein Irrtum.«
»Ja, ja. Und dass der spanische Graf eine Schwäche für dich hat und sich bereits mit deinem Vater einig ist, ist wohl auch nur erfunden? Wie aufregend! Und doch behältst du alles für dich. Ich finde das nicht nett von dir. Oder glaubst du, dass deine alten Freundinnen jetzt, wo du bald eine Komtess bist, nicht mehr zu dir passen?«
»Marthe, ich bitte dich«, protestierte Celina. »Ich will den Grafen nicht heiraten. Ich will überhaupt niemanden heiraten.«
»Weil du in den Maitre d’Armes verliebt bist und weißt, dass diese Liebe nicht sein darf? Oh, chere, was für eine Tragödie! Aus purer Verzweiflung stürzt er sich in ein Duell nach dem anderen. Ihm bleibt nur die Flucht in den Tod. Zu schwer ist der Schmerz, der ihn verzehrt, weil du einen anderen heiraten musst, einen alten Grafen aus einem fernen Land.«
»Du irrst dich, glaube mir!«
»Dann erzähl mir, was sich wirklich zwischen dir und dem Maitre d’Armes abgespielt hat.«
»Gar nichts! Gar nichts hat sich abgespielt.«
»Aber Denys hat doch erst gegen ihn gefochten, dann war er sein Sekundant und inzwischen ist er ein Schüler des Fechtmeisters. Heute haben sich die beiden lange unter vier Augen über eine überaus wichtige Angelegenheit unterhalten.«
»Woher weißt du das?«
Marthe zuckte die Achseln. »Mein Bruder war in De Silvas Studio und sah zufällig aus dem Fenster. Dein Bruder und der Fechtmeister standen gemeinsam im Garten. Offenbar war der Silberne Schatten sehr erbost. Sein Blick brachte sogar meinen Bruder zum Erschauern.«
»War der Maitre böse auf Denys?«
»Man könnte es meinen. Aber du musst ihn schon selbst fragen. Oder ist das vielleicht gar nicht nötig, weil du längst weißt, worüber die beiden gesprochen haben?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Celina. Sie musste dringend nachdenken, deshalb fielen ihre Antworten knapper und barscher aus als beabsichtigt. Zu spät bemerkte sie, wie unhöflich das auf Marthe wirkte.
»Wie du willst. Behalt deine Geheimnisse für dich, Celina Vallier. Du wirst schon sehen, was du davon hast.«
Marthe erhob sich, reckte das Kinn in die Höhe und stakste davon. Schon ein paar Schritte weiter fand sie eine Freundin, mit der sie sogleich aufgeregt zu tuscheln begann.
Celina blieb allein zurück. Nach dem Auftritt des großen Magiers dauerte es eine ganze Weile, bis jemand sie zum Tanzen aufforderte. Hippolyte Ducolet, der Busenfreund ihres Bruders, erbarmte sich schließlich.
»Hast du Denys gesehen?«, fragte sie ihn. »Spielt er vielleicht Karten oder raucht er draußen im Hof?«
»Ich weiß es nicht, Mademoiselle Celina. Ist er überhaupt hier?«
»Eigentlich sollte er hier sein. Aber er ging schon heute Morgen aus dem Haus und war noch nicht zurück, als die Tante und ich heute Abend aufbrachen. Vater brachte uns her, aber er hatte noch eine andere Verabredung. Ich hoffte, Denys würde rechtzeitig hier sein, um uns nach Hause begleiten zu können.«
»Sicher kommt er noch. Ansonsten wäre es mir eine Ehre, ihn zu vertreten und die Damen sicher zum Stadthaus zu geleiten.« Hippolyte stolperte und trat Celina beinahe auf die Zehen. Er war kein besonders guter Tänzer und hatte Mühe, den Takt zu halten, wenn er gleichzeitig sprechen musste.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber sicher wird das nicht nötig sein. Denys hat mich noch nie im Stich gelassen. Falls Sie ihn irgendwo sehen, sagen Sie ihm bitte, dass ich nach Hause möchte. Ich habe Kopfschmerzen.«
»Aber selbstverständlich, Mademoiselle. Sicher spüren Sie das Wetter. Finden Sie nicht, dass es schon sehr kalt geworden ist?«
»Ja, vielleicht.« Immerhin gab sich Hippolyte Mühe, das Gespräch in Gang zu halten. Das Personal war gerade damit beschäftigt, die Fenster zu schließen. Ein strenger Nordwind war aufgekommen und sorgte für eine empfindliche Kälte. Nach ein paar weiteren Walzertakten sagte Celina: »Monsieur Hippolyte?«
Er hob eine Augenbraue und sah sie fragend an. Sie waren fast gleich groß.
Wieder einmal ärgerte sich Celina über die
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