Raecher des Herzens
möglich Teil der Union werden.«
»Aber was ist mit der Sklaverei?«
»An dieser Frage scheiden sich die Geister, das gebe ich zu. Politiker, die tausende von Meilen entfernt im Norden leben, dürfen sich nicht anmaßen, über die Köpfe der freien texanischen Bürger hinweg zu entscheiden. Wenn wir die Sklavenfrage zum Prüfstein machen und Texas deswegen aus der Union ausschließen, werden wir es bereuen.«
»Denkt Ihr Vater ähnlich?«
»Bisher war es so. Aber ich fürchte, seine Ansichten haben sich geändert. Sich für die mexikanischen Interessen einzusetzen, würde ihm erlauben, seine Spielschulden zu bezahlen, die er unter dem Einfluss des Grafen in den letzten Wochen angehäuft hat.«
»Offenbar steckt Ihr Vater in einer Zwickmühle«, sagte Rio. »Aber ich weiß noch immer nicht, was das alles mit mir zu tun haben soll.«
»Um das herauszufinden, bin ich hier.«
»Verzeihen Sie, aber ...«
»Ich bitte Sie, gestehen Sie mir ein wenig gesunden Menschenverstand zu. Ihr Auftreten in den letzten Tagen lässt zwei Schlüsse zu. Entweder Sie haben mit dem Grafen noch eine Rechnung offen, oder Sie haben ein Auge auf meine Schwester geworfen. Ich möchte mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, sondern nur eines von Ihnen wissen: Planen Sie, die Ehe zwischen dem Grafen und meiner Schwester zu verhindern?«
Rio war zumute, als habe er einen Tritt in die Magengrube bekommen. Denys hatte vor Tagen seine abfällige Bemerkung über Celina gehört und ihn deshalb zum Duell herausgefordert. Aber offenbar war die Sache für den jungen Vallier damit alles andere als erledigt gewesen. Er hatte über Rios Beweggründe nachgedacht und sich seinen eigenen Reim darauf gemacht. Rio hätte nun seinerseits gern gewusst, worin der eigentliche Grund für den Besuch des jungen Mannes lag.
»Sie wollen den Grafen nicht unbedingt zum Schwager haben.«
»Celina will ihn nicht zum Mann.«
»Aber Sie sind nicht in ihrem Auftrag hier.«
»Mon Dieu, nein!« Denys verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Auf einen solchen Gedanken käme sie nie.«
Rio stellte anerkennend fest, dass Denys die Schwächen seiner Schwester nicht mit einem Fremden erörtern wollte. Aber sicher wusste auch er, dass Celina viel unerschrockener war, als er sie nun darstellte. »Nicht einmal, wenn es um ihre Zukunft geht?«
»Nicht einmal dann. Sie mag protestieren und hat es auch schon getan. Aber letztendlich wird sie sich dem Willen unseres Vaters beugen.«
»Dann hat sie nicht nur Ihnen, sondern auch Ihrem Vater gegenüber erklärt, dass sie den Grafen nicht heiraten möchte?«
»Sie hat es ihm sogar selbst ins Gesicht gesagt. Aber er schien nicht besonders entmutigt. Im Gegenteil, er ...« Denys brach verlegen ab.
»Was?« Rios Frage glich einem Befehl.
»Er bestand darauf, unter vier Augen mit ihr zu sprechen. Aber Celina missfielen die Mittel, mit denen er sie umzustimmen hoffte.«
»Er hat sich an ihr vergriffen?«
»Ihre Gegenwehr schien ihn nicht weiter zu kümmern.«
Davon hatte Celina ihm nichts gesagt. Rios Herz lag plötzlich wie ein Bleiklumpen in seiner Brust. Im Stillen musste er sich eingestehen, dass sein Vorgehen dem des Grafen gar nicht so unähnlich war. »Können wir davon ausgehen, dass Celina nicht allzu betrübt wäre, wenn der Graf seinen Antrag zurückzieht?«
»Den Antrag zurückziehen?« Denys sah Rio an, als sei er nicht ganz bei Trost. »Das sähe so aus, als habe der Graf etwas erfahren, was es unmöglich macht, Celina zur Ehefrau zu haben. Er darf auf keinen Fall öffentlich sagen, dass er nicht mehr an ihr interessiert ist.«
Rio hob eine Augenbraue. »Es wäre Ihnen also recht, wenn er - aus welchem Grund auch immer - nicht in der Lage wäre, sich zu äußern. Vielleicht gar, weil er tot ist?«
»Wo denken Sie hin? Ich möchte Sie doch nicht zu einem Mord anstiften.«
»Sie sehen mich erleichtert. Aber lassen Sie uns offen sprechen. Was wollen Sie von mir?«
Denys erhob sich und ging ein paar Mal nervös auf und ab. Dann sagte er: »Ich will, dass der Graf darauf verzichtet, meine Schwester zu heiraten. Es muss öffentlich werden, dass sie ihn verschmäht hat, und dann soll er die Stadt verlassen. Am besten, er geht nach Spanien zurück. Gibt es denn nicht irgendetwas, womit man ein wenig Druck auf ihn ausüben könnte, damit er zur Vernunft kommt?«
»Sie wollen, dass ich ihn herausfordere, oder dass er wenigstens denkt, er müsse sich mir in einem Duell stellen.«
»So etwas in der Art.«
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