Raecher des Herzens
wenig von ihm ab. Ihre Haarsträhne spannte sich wie ein straffes Band zwischen ihnen. Sie wusste nicht, ob Rio es merkte. Jedenfalls ließ er sie nicht los. »Ich hatte den Eindruck, dass Sie unsere Bekanntschaft nicht vertiefen wollen. Wie sollte ich also wissen, dass Sie das interessiert?«
»Sie hätten die Zudringlichkeiten des Grafen für Ihre eigenen Zwecke nutzen können.«
»Um damit Ihr Mitleid zu erregen? Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich den Grafen nicht will.«
»Und nun fügen Sie sich doch in Ihr Schicksal?«
»Ich denke mit Abscheu daran, wie meine Zukunft aussehen könnte«, sagte Celina. »Aber das bringt mich nicht weiter.«
»Aber Sie verlangen trotzdem nicht, dass ich Sie für immer von dem drohenden Unglück befreie.«
»Indem Sie den Grafen töten? Sie wissen, was ich von dieser Lösung halte.« Celina wagte kaum zu atmen. War Rio vielleicht wiedergekommen, weil er endlich das tun wollte, was sie sich von ihm erhofft hatte?
Er legte ihr die Haarsträhne über die Brust und ließ die Bürste sanft darüber gleiten. »Dass der Graf versuchen würde, Sie mit Gewalt umzustimmen, hätte ich nicht von ihm erwartet. Wahrscheinlich haben Sie mit Ihrer Widerspenstigkeit seine Eitelkeit verletzt.«
»Wohl eher den Stolz auf seinen Stand. Ich hätte vor Dankbarkeit vergehen sollen, weil ein begüterter Adeliger mich seiner für würdig erachtet. Mein Widerstand hat ihn gleichzeitig erstaunt und verärgert.«
»Aber gegen mich«, sagte Rio, dessen Blick noch immer an der golden schimmernden Haarsträhne auf Celinas Brust hing, »gegen mich haben Sie sich nicht gewehrt.«
»Das war etwas anderes.«
»Die Mittel, die ich anwandte, waren dieselben. Dafür muss ich mich bei Ihnen entschuldigen.«
Zwischen Celinas Brauen bildete sich eine steile Falte. »Aus meiner Sicht ähnelten die Mittel einander kaum.«
»Sie dienten demselben Zweck. Nur in der Heftigkeit unterschieden sie sich offenbar.« Rio griff nach Celinas Handgelenk und streifte den Ärmel des Nachthemdes zurück. Blaue Flecken markierten die Stellen, wo der Graf seine Finger in ihr zartes Fleisch gebohrt hatte. Sanft strich Rio mit dem Daumen über die verfärbte Haut. Dann neigte er sich hinab und küsste die blauen Male.
Celinas Pulsschlag beschleunigte sich. Sie fragte sich, ob Rio ihn unter den Lippen fühlen konnte. Die Nacht war kalt, und es brannte kein Feuer im Kamin. Aber jetzt durchrieselte Celina von Kopf bis Fuß eine wohlige Wärme. Sie schluckte mühsam und suchte nach passenden Worten.
»Sie haben erreicht, was Sie erreichen wollten.«
»Wie soll ich das verstehen?« Rio hob den Kopf, doch ihren Arm ließ er nicht los.
»Sie wollten mir zeigen, dass ich für ein Leben als Nonne nicht geschaffen bin. Ihre kleine Demonstration war sehr überzeugend.«
Rios Augen wurden dunkel. »Das heißt, Sie sind einer Heirat nun nicht mehr abgeneigt?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich weiß nun, dass ich nicht in einem Kloster leben könnte.«
»Dann wollen Sie also ledig bleiben und eine alte Jungfer werden.«
Celina brachte ein mühsames Lächeln zustande. »Ich fürchte, auch dafür bin ich nicht geeignet. Nein - das, was die Lehre, die Sie mir erteilten, in mir auslöste, deutet eher darauf hin, dass ich zur Kurtisane bestimmt bin.«
»Zur Kurtisane.« Rios Stimme klang tonlos, und seine Miene wirkte undurchdringlich.
»Natürlich nicht hier in New Orleans. Ich dachte eher an Paris. Dort gibt es sicher wohlhabende Männer, die es sich leisten können, meinen Unterhalt zu bestreiten. Wenn ich mich schon von meiner Familie und meinen Freunden trennen muss, weil ich das Bett eines Mannes teilen möchte, will ich wenigstens den Mann selbst wählen.«
»Ist das eine Drohung?«, fragte Rio mit tödlicher Sanftheit.
»Wie kommen Sie denn darauf? Mein Leben gehört mir. Mit Ihnen hat das nichts zu tun. Sie wollten nicht, dass ich meinen Teil unseres Abkommens erfülle. Damit ist er wohl erledigt.«
»Ich bin Ihnen zu nichts verpflichtet«, sagte Rio barsch. »Der Handel war von Anfang an eine Farce.«
Celina gab sich unbeeindruckt. »Es tut mir Leid, aber diese Einschätzung kann ich nicht teilen. Nun, wie dem auch sei, ich respektiere Ihre Entscheidung und muss meine Pläne entsprechend ändern. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Und wann wollen Sie nach Paris reisen?«
»So bald wie möglich. Ich möchte nicht dazu gezwungen sein, den Antrag des Grafen doch noch anzunehmen.«
»Sie brauchen Geld
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