Raecher des Herzens
gewacht?«
»Sie war anderweitig beschäftigt. Die Mademoiselle war von ihrem Vater ins Arbeitszimmer gebeten worden, wo er sie dann für ein paar Minuten mit dem Grafen allein ließ. Immerhin hatte dieser gerade den Ehevertrag unterzeichnet. Aber offenbar hat Monsieur Vallier einen Fehler gemacht.«
»Offenbar.« Rio hatte Celina nach dem Vorfall gesehen. Er wusste, dass ihr nichts geschehen war. Aber jetzt musste er sie unbedingt noch einmal aufsuchen. Am liebsten wäre er auf der Stelle mit dem Degen in der Hand zum Stadthaus der Valliers gestürmt. »Ich vermute, Mademoiselle Vallier verbringt den heutigen Abend außer Haus?«
»Das ist anzunehmen.« Olivier gab sich betont gleichmütig. »Wenn Sie es wünschen, könnte ich herausfinden, wohin sie geht.«
»Ich wünsche es«, sagte Rio. Als Olivier daraufhin in aller Seelenruhe eine weitere Flasche abfüllte und verkorkte, setzte er hinzu: »Und zwar unverzüglich.«
Olivier hob eine Augenbraue. Die Andeutung eines Grinsens umspielte seine Lippen. Bedächtig legte er die Schürze ab.
Rio sah ihm schweigend dabei zu. Seine Gedanken zogen unablässig ihre Kreise. »Und wenn du schon unterwegs bist«, sagte er schließlich, »gibt es noch etwas zu erledigen.«
Zehntes Kapitel
Für Celina wurde es kein besonders schöner Abend. Sie saß fast die ganze Zeit allein da. Die Tante verschwand gleich nach ihrer Ankunft. Sie hatte eine alte Freundin entdeckt, mit der sie sich ausführlich unterhalten wollte. Die Dame war mit der Baroness de Pontalba verwandt. Diese wiederum stammte aus einer der angesehensten Familien von New Orleans. Die Erbin des reichen Spaniers Don Almonester y Roxas war mit fünfzehn Jahren mit Baron de Pontalba verheiratet und auf ein Schiff verfrachtet worden, das gen Frankreich segelte. Ihr Eheleben wurde von andauernden Streitigkeiten mit den Schwiegereltern überschattet, in denen es vor allem um ihre Mitgift ging. Vor fünf Jahren hatte ihr Schwiegervater auf sie geschossen und sie schwer verwundet, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. Inzwischen war es der Baroness gelungen, die Verfügungsgewalt über ihr eigenes Vermögen zurückzuerlangen. Es hieß, sie wolle nach New Orleans zurückkehren und sich um ihren ererbten Besitz kümmern, zu dem auch einige inzwischen recht heruntergekommene Mietshäuser am Place dArmes gehörten. Gebannt lauschte die Tante den Ausführungen ihrer Freundin.
Sie hatte Celina in der Annahme, die beiden jungen Frauen würden sich sicher gut unterhalten, bei Marthe Desiard sitzen lassen. Celina und Marthe kannten einander schon ihr Leben lang. Anfangs saßen sie in einer ganzen Gruppe von jungen Damen, die sich jedoch bald auflöste. Marthe und Celina blieben allein zurück.
Marthe plauderte längst nicht so unbekümmert wie sonst mit Celina. Wenn sie sich unbeobachtet glaubte, musterte sie ihre alte Bekannte verschämt von der Seite. Ein wenig angestrengt unterhielten sich die beiden Frauen über das geplante Unterhaltungsprogramm. Der große Magier, Monsieur Adriant, der zurzeit in der Banks-Arkade auftrat, würde eine Frau entzweisägen. Das hatte zumindest die Gastgeberin behauptet. Celina fieberte der Darbietung nicht unbedingt entgegen. Sie ging davon aus, dass irgendein Trick hinter der Sache steckte. Doch ihre Gesprächspartnerin ließ der Gedanke an die zersägte Jungfrau wohlig erschauern. Anschließend wollte man sich bei Billard und Kartenspielen unterhalten. Für die Jüngeren sollte ein Ensemble aus Horn, Geige und Klavier zum Tanz aufspielen, bevor schließlich das Nachtessen serviert wurde.
Irgendwann hielt Marthe es nicht mehr aus. Sie rückte ein wenig näher an Celina heran und berührte sie am Arm. »Ich sterbe fast vor Neugier, ma chere«, flüsterte sie. »Sag, stimmt es, dass der berühmte Silberne Schatten dir zu Ehren schon ein Dutzend Duelle gefochten hat?«
»Aber nein!«
»Oder war es nur ein halbes Dutzend? Jedenfalls spricht man von einer immensen Zahl. Maman sagt, das sei skandalös. Sicher hättest du etwas ganz Ungeheuerliches getan, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Ich versichere dir ...«
»Bitte sag jetzt nicht, dass das alles nicht wahr ist, denn ich finde es einfach unsagbar romantisch. Man stelle sich vor: ein Mann, der für seine Angebetete Leib und Leben riskiert! Und das nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals hintereinander. Welches Feuer, welche Leidenschaft! Wie ist er denn so, der berühmte M aitre d’Armes ? Sieht er aus der Nähe
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