Raecher des Herzens
sich an Celinas schweren Unterröcken zu schaffen.
»Ich wusste es nicht«, sagte Celina. Als Nächstes erzählte sie Suzette, dass Denys nicht zu dem Fest gekommen war. »Das sieht ihm gar nicht ähnlich«, sagte sie. »Irgendetwas stimmt da nicht.«
»Mach dir keine Gedanken, Mam’zelle. Davon bekommst du nur Kopfschmerzen.« Suzette trug die Unterröcke weg und half Celina dann in das Nachthemd. Außerdem reichte sie ihr einen dünnen Hausmantel gegen die Kälte. »Oder hast du bereits Kopfschmerzen und bist deshalb so früh zurück? Soll ich dir die Schläfen mit Cologne massieren oder dir einen Kräutertee kochen?«
»Nein, nein. Mir fehlt nichts. Das Haar bürste ich mir heute selbst.«
»Ich könnte ...«
»Ich mache das gern, wirklich. Du hast mir schon genug geholfen. Und jetzt ab ins Bett mit dir.«
Als sich die Tür hinter Suzette schloss, atmete Celina erleichtert auf. Sie liebte ihre Zofe und schätzte sich glücklich, sie zur Vertrauten zu haben. Aber manchmal wollte sie einfach nur allein sein. Sie musste nachdenken, auch wenn sich ihre Gedanken dabei im Kreis drehten.
Der weiche Leinenstoff ihres Nachthemdes schwang sanft um ihre Beine. Sie zog die Nadeln aus dem Haar und begann es mit langen Strichen zu bürsten. Dabei ging sie gedankenverloren zur Balkontür. Suzette hatte die Läden nicht geschlossen. Eine Windböe rüttelte an der Straßenlaterne an der Ecke. Sie trieb ein Büschel Heu über die Straße, das von einem Wagen oder aus einem Futtersack gefallen sein musste, und spielte mit einem verlorenen Zylinder. Die Dachbalken des Hauses ächzten leise. Schläfrig protestierten die Bewohner des Taubenschlages gegen die nächtliche Störung. Celina öffnete fröstelnd die Balkontür und griff nach dem Fensterladen. Sie wollte die Geräusche und den kalten Luftzug aussperren.
»Sie erlauben?«
Celina schnappte erschrocken nach Luft und fuhr herum. Rio zog sie ins Zimmer zurück, griff über sie hinweg und schloss den schweren Fensterladen und die Tür. »Wie sind Sie ... Ich meine, wann ...«, stammelte Celina.
»Es war nicht schwer«, antwortete Rio mit einem schiefen Lächeln. »Suzette schlief schon, als ich mich hereinschlich, und ich sah keinen Grund, sie zu wecken oder sie zu erschrecken. Also wartete ich dort drüben.«
Celina folgte seinem Blick zu dem Wandschirm in der Ecke. Er verstellte die Sicht auf den Nachttopf und die Wanne, in der sie ein Bad genommen hatte, bevor sie ausgegangen war. »Dass Sie mich erschrecken könnten, scheint Sie weniger zu kümmern.«
»Es kümmert mich durchaus. Aber es war nicht zu vermeiden.« Der amüsierte Unterton in Rios tiefer Stimme hatte eine seltsame Wirkung auf Celinas Pulsschlag. Aber vielleicht war es auch seine kraftvolle, männliche Ausstrahlung, seine Größe oder seine muskulöse Gestalt, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Oder lag es an dem Geruch nach frischer Luft, nach Bäumen und Gras, der von seinem Umhang ausging? Einen Augenblick lang musste Celina an Marthe denken. Rio sah aus der Nähe betrachtet wirklich genauso gut aus wie von weitem. Das schwarze Haar reichte ihm in glänzenden Wellen bis in den Nacken, die Augenbrauen waren kräftig und leicht geschwungen. Rios Augen mit dem eigentümlichen silbrigen Schimmer erinnerten Celina an polierte Spiegel, in denen sie sich selbst betrachten konnte, die aber nur selten den Blick auf seine Seele freigaben. Selbst die feine Narbe, die sich über sein Gesicht zog, entstellte ihn nicht. Sie ließ ihn nur ziemlich verwegen aussehen.
Das Schweigen zog sich in die Länge. Celina versuchte mit aller Macht, ihre Gedanken zu ordnen und einen vernünftigen Satz hervorzubringen. »Ich nehme an, Sie haben sich nicht ohne Grund hier eingeschlichen«, sagte sie schließlich.
»Vermutlich nicht. Aber ich scheine ihn soeben vergessen zu haben.« Er nahm ihr die Bürste aus der schlaffen Hand, griff nach einer seidenen Haarsträhne und fing an, sie mit großer Sanftheit und Hingabe zu bürsten. Fasziniert ließ er die schimmernden Locken durch seine Finger gleiten.
»Hatten Sie denn nicht vor, darauf zu verzichten, dass ich meinen Teil unserer Abmachung erfülle?«, fragte Celina mit unsicherer Stimme. »Gibt es darüber hinaus sonst noch etwas zu besprechen?«
»Ja, und jetzt fällt es mir auch wieder ein. Ich habe noch eine Frage.« Rios Gesichtsausdruck und sein Ton blieben unverändert. »Warum haben Sie mir verschwiegen, dass der Graf Sie belästigt hat?«
Celina rückte ein
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