Rächerin der Engel
Rechtsanwälte der Gegenseite mit unverhohlenem Abscheu an. Beazley war groß und wirkte von Weitem wie ein Buchhalter oder wie ein heruntergekommener Banker – bis man die vertikalen Schlitze seiner Pupillen wahrnahm. Und das lodernde Gelb seiner Augen. Caldecott erinnerte Bree mit seinem leichten Schmerbauch und seiner dicken Hornbrille an einen ihrer Lehrer auf der Highschool. Allerdings hatte dieser Lehrer keine langen, spitzen, klauenartigen Fingernägel gehabt, die mit einer dunkelroten Kruste überzogen waren, über die Bree lieber nicht nachdenken wollte. Die beiden rochen nach abgebrannten Streichhölzern. Obendrein schwebten sie mehrere Zentimeter über dem Bürgersteig. Caldecott, der schnell müde wurde, neigte dazu, sich mitten in der Luft hinzusetzen.
»Also was ist los?« Sie sah zu Miles und Bellum hinüber, die auf dem Hinterteil saßen und gelangweilt dreinblickten. Sie ließ ihre Augen über den Platz wandern, der nach wie vor leer war. In der angrenzenden Straße herrschte jedoch ganz normaler Verkehr.
»Unser Besuch …«, sagte Beazley.
»… ist ein reiner Höflichkeitsbesuch unter Kollegen«, ergänzte Caldecott.
»Und sollte in keiner Weise als Versuch unzulässiger Beeinflussung ausgelegt werden.« Beazley grinste und zeigte seine spitzen Zähne, die widerwärtige braune Flecken hatten.
Bree schwieg und wartete ab.
»Ihr letzter Fall …« Beazley schüttelte den Kopf.
»Sofern man ihn überhaupt als solchen bezeichnen kann …«, murmelte Caldecott.
»Es hat Drohungen gegeben«, fuhr Beazley mit einer Miene fort, als entledige er sich einer unangenehmen Pflicht. »Schwerwiegende Drohungen.«
»Und da Sie beide zweifellos um mein Wohlergehen besorgt sind, nutzen Sie diese Gelegenheit, um mich vor mir selbst zu schützen, ja? Geben Sie den Fall auf, dann werden Sie nicht zu Schaden kommen. Sehe ich das richtig?«
Caldecott wirkte gekränkt. »Keineswegs.«
»Wir könnten überhaupt nicht garantieren, dass Ihnen nichts zustößt.«
»Wir sind sozusagen dafür zuständig, Schaden anzurichten.« Caldecott dachte kurz nach, um dann fröhlich hinzuzufügen: »So viel wie möglich.«
»Woher dann die Sorge um mein Wohlergehen?«
»Oh, wir sind gar nicht um Ihr Wohlergehen besorgt«, versicherte ihr Beazley. »Was Ihre unsterbliche Seele betrifft – nun, das ist eine ganz andere Sache. Die würden wir sehr gern in die Hände bekommen. Nein, nein, es geht um eine Verfahrensfrage. Wir haben da von etwas Wind bekommen …«
»Haben erfahren, dass etwas im Busch ist«, erläuterte Caldecott.
»Hinsichtlich einer Partei, von der wir schon lange nichts mehr gehört haben.«
»Seit Jahrtausenden nicht«, meinte Caldecott.
»So lange ist es wohl kaum her«, erwiderte Beazley, »aber jedenfalls sehr lange.« Er drehte den Kopf um hundertachtzig Grad und warf einen Blick auf die beiden Hunde. »Deshalb möchten wir Ihnen raten, diese zwei stets mitzunehmen …«
»Und auf der Hut zu sein …«, flüsterte Caldecott.
»Und den Pendergasts aus dem Weg zu gehen.«
»Er hat sich auf einen üblen Handel eingelassen …«
»Einen schrecklichen Handel …«
Beazley beugte sich zu ihr. Sein Atem roch wie eine Jauchegrube. »Selbst für eine verdammte Seele, die keinerlei Hoffnung auf Erlösung hat …«
Im nächsten Augenblick waren sie verschwunden.
Der Wind nahm zu, eine kalte Bö riss Bree beinahe um. Bellum drückte sich eng an sie. Sie vergrub die Hand in der dicken Halskrause des Hundes und ging nach Hause. »Ein Einschüchterungsversuch«, sagte sie, als sie ein paar Minuten später durch die Hintertür ins Haus trat. »Pfui Teufel.« Dann fügte sie hinzu: »Schon wieder die Pendergasts! Pfui Teufel hoch vier.«
Dennoch verriegelte sie die Tür. Anschließend setzte sie sich aufs Sofa, um nachzudenken.Antonia schaltete das Licht der Deckenlampe ein, so dass das Wohnzimmer des Reihenhauses plötzlich von grellem Licht überflutet wurde. Bree schirmte die Augen mit der Hand ab und sagte verärgert: »Herrgott noch mal, Antonia.«
»Warum sitzt du denn hier im Dunkeln?« Antonia ließ sich auf das andere Ende des Sofas fallen und schwang ein Bein über die Armlehne. »Hab ich dich aufgeweckt?«
»Nein.«
»Na, was hast du denn dann hier im Dunkeln gemacht?«, insistierte Antonia. Sie hatte vorgehabt, die Party um fünf Uhr zu verlassen, um sich anschließend um die Sonntagabendvorstellung im Theater zu kümmern, und Bree nahm an, dass sie das auch getan hatte. »Hast du
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