Rächerin der Engel
dem Weg, Fig. Der Schreibtisch ist schon seit mehreren Stunden da, und diese Idioten in der Küche haben ihn einfach hinten im Garten stehen lassen.«
Bree hörte, wie ein großer Gegenstand mit viel Gerumpel den Gang entlangtransportiert wurde. Zum Schutz in eine Decke gehüllt, stand der Schreibtisch hochkant auf einem Rollbrett. Zwei von Tullys Hausangestellten manövrierten ihn durch die Tür und stellten ihn auf den Teppich. Dann nahmen sie die Decke ab, schoben das Rollbrett aus dem Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.
»Na also«, sagte Tully.
Der Schreibtisch dominierte das kleine Zimmer. Tully strich mit den Händen über den Lederbezug. Bree ertappte sich bei dem Gedanken, ob die Platte wohl voller Blut gewesen war.
»Wenn du das Sideboard auch hier drin haben willst, wirst du die Bücherregale rausschmeißen müssen«, sagte Fig. Er schnellte vom Lehnstuhl hoch und gab Danica mit einer Geste zu verstehen, sie möge von ihrem Stuhl aufstehen, den er hinter den Schreibtisch stellte. Anschließend forderte er seine Mutter mit einer übertriebenen Verbeugung auf, Platz zu nehmen.
Tully ließ sich vorsichtig auf dem Stuhl nieder und strich ihren Rock glatt. Einen Moment lang wirkte sie unschlüssig. Dann hob sie langsam beide Hände und hielt sie waagerecht ausgestreckt. »Russell!«, sagte sie in gebieterischem Ton, der viel über die Ehe der beiden verriet. Anschließend wiederholte sie in eher fragendem, intimerem Ton: »Russell?«
Bree merkte, dass sie den Atem anhielt. Vielleicht würde gleich ein Wunder geschehen. Dann wäre sie nicht mehr die Einzige, die von den Toten heimgesucht wurde. Trotzdem erstaunte Tullys Verhalten sie. Diese Frau schien keinerlei Hemmungen zu haben.
»Gib’s auf, Mutter«, sagte Fig.
Tully legte die Hände flach auf den Tisch. Durch das halb offene Fenster war erneut das Glockenspiel der Kirche zu hören. Diesmal wurde »Amazing Grace« dargeboten, ebenfalls mit der Getragenheit eines Trauermarsches.
Ein lautes Klopfen an der Tür ließ alle zusammenfahren. Barrie Fordham steckte den Kopf herein und ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Hier bist du also«, sagte sie. »Was, um Gottes willen, treibst du denn da, Tully?« Sie war wie auf der Auktion gekleidet und trug einen langen, fließenden Rock sowie ein schlichtes T-Shirt. Ihre Sandalen waren staubig, ihr braunes Haar wallte wie feiner Nebel um ihr Gesicht. Sie hielt das Cloisonnégefäß und das Tintenfass in den Händen und schwenkte beide Gegenstände hin und her, bevor sie es auf den Tisch stellte. »Das Sideboard ist auch da. Aber du musst die Bücherregale …«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Tully verdrossen. »Aber wir können dich hier nicht gebrauchen, Barrie. Das ist eine geschäftliche Besprechung. Geh wieder zu deinem Mann.« Bei der scharfen, unangenehmen Tonart, die Tully anschlug, verspürte Bree ein Prickeln auf der Kopfhaut.
»Ich wollte nicht stören«, gab Barrie sanftmütig zurück. »Ich wollte dir nur sagen, dass in deinem Garten zwei riesige, gefährlich aussehende Hunde sitzen. Du weißt doch, wie Ciaran auf Hunde reagiert.«
»Na, dann verjag die Viecher doch!«
»Ich glaube, einer deiner Angestellten hat bereits den Hundefänger angerufen.«
»Oje«, sagte Bree, »ich fürchte, das ist meine Schuld.«
Tully zog die Augenbrauen hoch. Bree spürte, wie ihr plötzlich der Kamm schwoll. Was machte sie eigentlich hier? Was machten diese verdammten Wachhunde hier? Warum setzte sie sich all diesen Verrücktheiten aus und war nicht ganz woanders? Ihre Gereiztheit verflog jedoch so schnell, wie sie gekommen war, und sie sagte: »Es ist nämlich so, die Hunde gehören mir. In gewisser Weise jedenfalls. Ich passe für einen Freund auf sie auf. Ich komme mit raus und bringe sie nach Hause.« Sie erhob sich und stellte ihre Handtasche auf den Schreibtisch.
»Ich finde es recht merkwürdig, dass Sie sie mit hergebracht haben«, stellte Tully mit eisiger Stimme fest.
»Ja, stimmt. Tut mir leid«, sagte Bree, um mit mehr Zuversicht, als sie empfand, hinzuzufügen: »Sie sind sehr gut erzogen und würden keiner Fliege was zuleide tun. Tut mir leid, wenn sie irgendjemandem einen Schrecken eingejagt haben.«
»Sie sind eigentlich ganz friedlich«, erwiderte Barrie lächelnd. »Aber mein armer Ciaran ist schrecklich allergisch gegen Hunde. Und es wäre einfach fatal , wenn seine Stimme beeinträchtigt wird. Selbst gegen kleine Hunde ist er allergisch. Wir hatten mal einen süßen
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