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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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lachte. »Um Himmels willen, da würde mir schlecht werden. Ich kann doch kein Blut sehen. Sie sehen das falsch, Herr Palzki. Im Moment leidet die Klinik an personeller Unterbesetzung. Viele haben Urlaub und durch die Grippewelle hat sich das Problem massiv verschärft. Die richtigen Ärzte, die noch halbwegs gesund sind, sind fast ständig im OP. Medizinstudenten in den ersten Semestern bekommen einen Kittel und machen die einfacheren Visiten in den Krankenzimmern. Damit die Patienten nicht zu sehr beunruhigt werden, wurden über die Feiertage Aushilfskräfte eingestellt, so wie ich. Damit das offiziell wirkt, steht auf unseren Namensschildchen dieses A.R.Z.T. Das ist nur eine Fantasieabkürzung und hat keine Bedeutung. Die Patienten nehmen die entscheidenden Punkte meist überhaupt nicht wahr. Eine Aushilfe wurde mal von einem Patienten gefragt, was das eigentlich hieße. Seine spontane Antwort war ›Abteilung Raucherentwöhnung, zentrale Therapie‹.« Er lachte.
    Wenn ich das nicht bereits wüsste, würde ich glauben, dass Becker mir einen Bären aufband. »Können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren?«
    »Es muss niemand drunter leiden. Die Patienten sind zufrieden, weil genügend Weißkittel herumlaufen. Wir Aushilfen dürfen selbstverständlich keine Patienten versorgen. Nur hier mal ein bisschen Smalltalk, da mal das Kopfkissen ein wenig aufschütteln und schon heißt es, dass sich die Ärzte in dieser Klinik für die Patienten wirklich viel Zeit nehmen. Übrigens, Herr Palzki: Ihr Freund Doktor Metzger war vorgestern auch hier. Ich hab ihn aus dem OP kommen sehen.«
    »Das ist nicht mein Freund«, antwortete ich und erschauderte. Mein siebter, achter und neunter Sinn sagten mir, dass ich Metzger in der Brauerei im aktuellen Fall nicht zum letzten Mal gesehen habe.
    »Herr Palzki«, Becker schaute mich an wie ein treues Meerschweinchen. »Mir ist tatsächlich etwas aufgefallen. Es war aber wirklich nur zufällig, das müssen Sie mir jetzt glauben.«
    Ich schaute kurz zu Jutta und stellte fest, dass sie ihre Eistüte bereits gegessen hatte. Schneller hätte ich es auch nicht gekonnt.
    »Dann schießen Sie mal los, Herr Becker. Wer wird vermisst? Wie viele Tote gibt es?«
    »Was für Tote?«, rief der Student verblüfft und in unserer unmittelbaren Umgebung horchten ein paar Menschen auf. »Sind Sie wegen eines Verbrechens hier?«
    »Ich doch nicht«, wiegelte ich selbstsicher ab. »Aber Sie. Mit weniger als ein oder zwei Toten wird es Ihnen doch langweilig. Sie schreiben doch bestimmt wieder an einem von diesen seltsamen Regionalkrimis, die zurzeit die ganze Welt liest?«
    Becker protestierte. »Aber auf keinen Fall, Herr Palzki! Der letzte Roman mit dem Deichbruch bei Altrip hat zwar für Furore gesorgt und schreit nach einer Fortsetzung. Aber solange nichts richtig Kriminelles in dieser Region passiert, muss ich abwarten. Oder haben Sie möglicherweise einen Tipp für mich?«
    Der Student sah mich lauernd und fordernd an. Nicht mit mir, dachte ich. Polizeiliche Ermittlungen an dahergelaufene Journalisten weitererzählen, so weit kam es noch. Von mir würde Becker dieses Mal nichts erfahren. »Schreiben Sie doch einen Artikel über legale Wege, die Parkzeitbeschränkung im Umfeld von Krankenhäusern zu umgehen. Das ist ein Thema, auf das die Leute warten, viel interessanter als Ihre skurrilen Kommissargeschichten, die sowieso niemand liest, der noch halbwegs bei Trost ist.«
    Jutta gab mir mit einem Handzeichen zu verstehen, dass auch unsere Parkzeit ablief. Da ich wusste, dass wir vor dem Eingang standen und die Zeit egal war, sah ich es als Zeichen, das Gespräch mit Becker zu beenden. Wahrscheinlich fror meine Kollegin.
    »Sie haben es gehört, wir müssen zurück in die Pfalz, die Verbrecher warten nicht. Was haben Sie also in dieser Klinik bemerkt?«
    »Es verschwinden Medikamente.« Becker war plötzlich sachlich geworden. »Das scheint schon länger so zu gehen.«
    Ich fluchte innerlich. Becker schien tatsächlich wieder in diesem Fall drinzuhängen. Ob zufällig oder nicht, das war mir im Moment egal. Wo Becker war, da gab es Tote. Auch wenn es von seinem Standpunkt zunächst nur mit Arzneimitteldiebstahl begann.
    »Und wie haben Sie das bemerkt?«
    Er druckste kurz herum, bevor er mit der Sprache herausrückte. Es gibt in der HNO-eigenen Apotheke, in der sich Ärzte und Arzthelferinnen bedienen können, eine Liste. Alle Entnahmen müssen penibel aufgezeichnet werden. Einmal täglich werden die

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