Räuberbier
interessant.
»Dass sie nur durch künstliche Befruchtung ein zweites Kind bekommen könnte.«
Stille. Jürgen hatte die Gemeinheit nicht kapiert und schaute ihn fragend an.
»Irgendwann hat sie es verstanden. Sie hat ihre Sachen geschnappt und ist mit ihrem Tristan gegangen. Mensch, Reiner, ist Kindererziehung wirklich so schwierig? Muss da immer alles so extrem auf das Kind fixiert sein?«
»Nein, nein«, antwortete ich. »Das ist nur die ersten Jahre so. Spätestens wenn die Kinder auswärts studieren, lässt das in vielen Fällen von alleine nach.«
Gerhard nahm meine ironische Bemerkung ernst und schüttelte den Kopf. »Das nächste Mal werde ich wählerischer sein. Eine Frau mit Kind kommt mir nicht mehr ins Bett, äh, ins Haus.«
Jutta wartete ein paar Sekunden ab. »Gut, dann hätten wir das jetzt auch geregelt. Kommen wir zum Tagesgeschäft. Jürgen, hast du den Bruder von Schönhausen ausfindig machen können?«
»Für wen hältst du mich? Selbstverständlich habe ich das, auch wenn es dieses Mal hart verdientes Brot war. Diese Frau Eleonores ist ein gefährliches Weib. Die hatte nicht nur die Adresse von Schönhausens Bruder, sondern auch einen prall gefüllten Ordner über ihre Nachbarschaft. Im Umkreis von 50 Metern wurde von ihr alles akkurat registriert. Selbst wenn die Männer von der Müllabfuhr neue Overalls trugen, hat sie das sofort bemerkt. Gegenüber von ihr wohnt ein Polizist. Minutiös hat sie dokumentiert, wann seine Geliebte zu Besuch kam. Immer dann, wenn seine Frau bei ihrer Mutter war.«
»Unglaublich«, sagte ich. »Dass ein Polizeibeamter so etwas macht.«
Jutta schaute mich böse an. »Hast du Sorgen, mein Lieber. Mich beunruhigt die Datensammlung der Dame viel mehr. Was hast du unternommen, Jürgen?«
Er lächelte. »Ganz einfach. Ich habe mich in die Lage eines ihrer Nachbarn versetzt. Daher habe ich den Ordner sofort beschlagnahmt.«
Er deutete auf Juttas Schreibtisch. »Dort liegt er. Als Vorwand habe ich natürlich die Ermittlung Schönhausen vorgetäuscht. Vielleicht findet sich tatsächlich etwas Brauchbares für uns darin.«
»Gut gemacht, Jürgen.« Jutta lächelte ihren Kollegen an, und der schmolz dahin.
»Äh, Reiner«, unterbrach Gerhard. »Bevor ich’s vergesse: Dein Freund Ferdinand Jäger hat angerufen. Du sollst bitte um zehn Uhr zu ihm in die Brauerei kommen, er sagte, es wäre sehr dringend.«
Ich schaute auf meine Uhr. »Na, dazu ist es wohl zu spät, wir haben kurz nach 13 Uhr. Hat er gesagt, um was es genau geht?«
»Dein Freund meinte natürlich um zehn Uhr heute Abend. Nein, mehr hat er nicht verraten. Es hat aber geklungen, als ginge es um Leben und Tod. Hast du da einen Nebenkriegsschauplatz, Kollege? Wilderst du mal wieder in fremden Gefilden?«
»Ach woher denn. Ich war am Samstag in der Eichbaum-Brauerei zufällig Zeuge eines Unfalls. Da kümmern sich längst die Mannheimer Kollegen drum. Vielleicht brauchen die noch eine Unterschrift auf dem Zeugenfragebogen und haben Ferdinand beauftragt, das zu erledigen.«
»Und das genau um 22 Uhr?«, fragte Jutta, die hellhörig geworden war.
»Keine Ahnung, ich weiß nicht mehr als ihr.«
Um von Ferdinand abzulenken, sprach ich Jürgen an. »Gibt’s sonst noch etwas Neues?«
»Laut Bericht steht fest, dass Detlev Schönhausen in seiner Wohnung ermordet und tätowiert wurde. Das Ehepaar, das den Toten fand, hat sich nochmals gemeldet. Sie konnten aber keine weiteren Angaben machen. Und meine Recherchen ergaben, dass Schönhausens einziger Verwandter sein Bruder ist.« Er gab mir einen Zettel mit Adresse, bevor er weitersprach. »Das Opfer ist übrigens in diesem Jahr zwei Mal nach Peking geflogen. Ansonsten war kein Hobby festzustellen, keine Vereinsmitgliedschaften oder Ähnliches, und nähere Bekannte konnten wir bisher auch keine identifizieren.«
»Das ist ja immerhin schon etwas«, lobte ich Jürgen. »Dann werden wir mal nach –«, ich blickte auf den Zettel, »Dudenhofen fahren. Liegt ja gerade um die Ecke.«
Ich hoffte, dass meine Taktik funktionierte. »Gerhard, willst du mitfahren? Dann kommst du auf andere Gedanken, und Jutta kann in der Zwischenzeit Jürgen unterstützen.«
»Das geht in Ordnung, Reiner. Dann muss ich wenigstens nicht frieren.«
Glück gehabt, Jutta war einverstanden. Nicht, dass ich sie nicht mochte, ich war sogar gerne mit ihr unterwegs, aber unsere unterschiedlichen Ansichten zu den Wohlfühltemperaturen lagen Äonen auseinander.
Gerhard trank seine Tasse
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