Räuberbier
noch tage- oder wochenlang nachhallen, würden teilweise die Ehepartner mit Schweigen bestraft oder gleich ein Anwalt für Eherecht konsultiert werden. Bei uns wurden Schwierigkeiten immer sofort aus dem Weg geräumt. Naja, jedenfalls meistens.
Trotz dieser morgendlichen Vorgeschichte erklärte sich Stefanie bereit, gemeinsam zu frühstücken. Ich erzählte ihr ein paar wohlausgewählte Ausschnitte meines gestrigen Besuchs bei Ferdi und hatte den Eindruck, dass Stefanie damit zufrieden war.
»Ich glaube, wir werden unseren Arztmörder noch in dieser Woche festnageln können«, meinte ich zum Abschied, bevor ich zur Dienststelle fuhr. Es war ja erst Dienstag. Blöderweise war morgen Silvester.
Mit einer gewissen Erleichterung stellte ich fest, dass Metzgers Mobilklinik nicht im Hof der Kriminalinspektion parkte. Mit der Ungewissheit des aktuellen Falles machte ich mich auf den Weg zu Juttas Büro. Unser Empfangspraktikant winkte mich sofort durch, ich benötigte einen genaueren Blick, um festzustellen, was anders war: Der Praktikant war unmotiviert, unrasiert und ungekämmt, die monotone Tätigkeit schien seinen Verfall zu beschleunigen.
Es hätte mich stark gewundert, wenn in Juttas Büro keine Überraschung auf mich gewartet hätte. Das Erste, was ich wahrnahm, war die Teekanne, die scheinbar gleichberechtigt neben dem Sekundentod stand. Dann sah ich auch den Besucher.
»Guten Morgen, Reiner«, begrüßte mich Jutta, »deinen Freund haben wir gerade noch abfangen können, er wollte zu KPD.«
Seit unserem letzten Fall hatte sich zwischen Dietmar Becker und unserem Vorgesetzten eine Art Buddy-Freundschaft entwickelt. KPD war der irrigen Meinung, der Journalist Dietmar Becker würde mindestens die Weltpresse repräsentieren, und Becker ließ ihn selbstverständlich in dieser Annahme. Da KPD ziemlich, sagen wir mal, pressefixiert war, versuchten die beiden, gegenseitig ihre Vorteile aus der Bekanntschaft zu ziehen. KPD, um der Bevölkerung seine Stärken und Erfolge zu berichten, Becker, um möglichst viele Interna aus aktuellen Fällen zu erhaschen, die seine Journalistenkollegen nicht hatten.
»Herr Becker ist nicht mein Freund«, antwortete ich und nickte ihm und dem daneben sitzenden Gerhard zu.
»Was wollte er von Diefenbach?« Ich fragte bewusst meine Kollegin und nicht den Studenten. Ich verzichtete auch darauf, unseren Chef als KPD zu titulieren, obwohl der Student darüber längst Bescheid wusste.
»Das kann er dir selbst sagen«, antwortete diese und goss sich, heute bestimmt schon mehrmals, die Tasse voll. So schlimm schien es nicht zu sein, immerhin hatte sie Dietmar Becker Tee gekocht.
»Ich wollte doch zu Ihnen, Herr Palzki«, äußerte sich zum ersten Mal der Student. »Da ich aber weiß, dass Sie so früh nicht im Dienst sind, bin ich, oder vielmehr wollte ich zu Diefenbach.«
»Und warum sind Sie nicht einfach später gekommen?«
Becker zappelte auf seinem Stuhl herum. »Weil ich nicht zu spät kommen darf. Um 9 Uhr fing mein Dienst in Mannheim an und jetzt ist es sogar schon nach neun.«
»Das haben wir inzwischen geklärt«, mischte sich Gerhard ein. »Ich habe an seinem Arbeitsplatz angerufen und gesagt, dass er bei uns ist und eine wichtige Aussage machen muss. Danach würde er zur Arbeit kommen.«
Fast wäre ich in Versuchung geraten, mir eine Tasse zu füllen. Doch weder der Spezialkaffee noch der Tee mit unbekanntem Aroma erregte meinen Appetit. »Kommen wir zur Sache. Herr Becker, welche wichtige Aussage haben Sie zu machen?«
Der Student zog einen Zettel aus seiner Hosentasche. »Sie haben mir doch den Auftrag gegeben, nach diesen Medika–« Er merkte, wie Jutta und Gerhard aufhorchten. So ein Mist, jetzt würde das auch noch herauskommen. Heute brach alles über mich herein. Der Student versuchte, mir zu helfen.
»Also, wie soll ich sagen, ich habe da auf eigene Faust an meinem Arbeitsplatz in der Klinik Lebenswert recherchiert. Ich bin mir fast sicher, dass die überzählige Unterschrift von Doktor Schönhausen stammt. Ein Grafologe kann dies sicherlich bestätigen.«
Ich musste das Thema so schnell wie möglich beenden. »Das wissen wir längst, Herr Becker. Wir kennen auch den Abnehmer der Arzneimittel. Leider hat sich die Geschichte als Sackgasse erwiesen, der Medikamentendiebstahl hat offensichtlich nichts mit dem Tod von Schönhausen zu tun.«
Becker war verblüfft. »Nein? Das ist aber schade. Da habe ich mir so viel Arbeit gemacht. Wer war denn der Abnehmer? Gibt es
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