Räuberbier
egal, das Resultat zählte. Datenschutz stand nur im Gesetz, und das war viel zu kompliziert und undurchsichtig.
»Prof. Dr. Ottokar Kleinmacher, da haben wir ihn ja.« Es war keine Minute vergangen. »Er wohnt in Kleinkarlbach.«
»Wo wohnt der? Das habe ich noch nie gehört. Ist das sehr weit weg?«
»A 6 Richtung Kaiserslautern, Abfahrt Grünstadt«, las Jürgen von seinem Computer ab und schrieb mir die genaue Adresse auf.
Ich stand auf. »Meldest du mich bitte an, Jutta?«
Und zu Gerhard gewandt: »Kommst du?«
Mein Kollege schüttelte den Kopf. »Du, ich kann nicht mitfahren. KPD hat mich zu einem neuen Projekt verdonnert, irgendetwas mit Rabattkarten, da muss ich später mit ihm zu einem Workshop.«
»Ich rufe schnell bei Kleinmacher an, dann komme ich mit«, sagte Jutta.
Eine Fahrt bis Grünstadt mit Jutta bei den momentanen Außentemperaturen und einer funktionierenden Heizung? Da war ja die Rettungsaktion von Becker ein Klacks dagegen.
»Lass mal, Jutta«, antwortete ich möglichst lässig, um sie nicht zu verärgern. »Ich fahre alleine. Du hast hier bestimmt sehr viel zu tun.«
Jutta schaute mich scharf an, es war mir klar, dass sie mich durchschaut hatte. Jürgen gab mir zum Abschied den Ausdruck einer Landkarte mit. Damit sollte ich die Adresse finden.
Unser Praktikant filzte im Empfangsraum gerade ein älteres, harmloses Rentnerehepaar. Deren Tascheninhalte türmten sich schon auf dem Tisch, und trotzdem summte der Metalldetektor.
»Ich habe Ihnen bereits mehrfach gesagt, dass dies nur mein Herzschrittmacher ist«, sagte der männliche Senior. »Wir wollen nur Anzeige erstatten, weil ein paar Jugendliche unseren Briefkasten mit einem Chinaböller gesprengt haben.«
»Die Sicherheit geht vor«, war die autoritäre Praktikantenantwort. Mehr bekam ich nicht mehr mit.
Die Fahrt über die A 61 und die A 6 stellte mich vor keine besonderen Herausforderungen. Ich war sie bereits viele Male gefahren. Auch die Abfahrt Grünstadt und die Weiterfahrt nach Kirchheim verlief glatt. Ohne Navi und ohne Nachfragen erreichte ich Kleinkarlbach. Schöne Gegend, aber ein bisschen einsam, dachte ich mir anhand der vielen Felder. Ich tippte auf Weinreben. Komische Straßennamen hatten die hier, dachte ich weiter, als ich kurz nach dem Ortseingang links in die Straße ›An der Lehmenkaut‹ einbog. Ich fuhr langsam an einem markanten Blockbohlenhaus mit hellblauen Klapprollläden vorbei und erreichte wenige Meter dahinter das Wohnhaus von Professor Doktor Ottokar Kleinmacher.
Das frei stehende Haus mitten in dem Neubaugebiet war pastellfarben gestrichen und wirkte mit seinen Sandsteinverzierungen sehr repräsentativ. Direkt dahinter begann ein Weinberg. Vielleicht waren es auch Bohnen, so genau kannte ich mich da nicht aus. Ein Porsche parkte vor der Dreifachgarage. Ich stellte meinen Dienstwagen frech daneben.
Ein Hund schlug an. Noch bevor ich die Klingel betätigen konnte, öffneten ein Pferd und ein Mann die Eingangstür. Das Pferd war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Hund, aber so groß wie ein ausgewachsenes Pony. Das Untier tobte wie ein Berserker.
»Ruhe, Mimose«, befahl der ungefähr 60-jährige Vollbartträger und schlug seinem Haustier mit der flachen Hand leicht in die Lenden. »Mimose ist normalerweise sehr sensibel und überempfindlich«, erklärte er. »Ich weiß nicht, warum er heute so reagiert. Tragen Sie vielleicht ein billiges Rasierwasser? Das mag er nämlich überhaupt nicht.«
Der Professor wirkte auf mich wie Higgins, der Verwalter des Anwesens, in dem Privatdetektiv Thomas Magnum sein Unwesen trieb. Jedenfalls in den 80er-Jahren im Fernsehen. Steif und konservativ drückte mir Kleinmacher mit seinem offenen Hemd nebst Halstuch die Hand.
»Kommen Sie rein, Ihre Kollegin hat Sie fernmündlich avisiert.«
Mimose blieb ständig in Schrittkontakt, während sein Herrchen in Richtung Wohnzimmer ging.
»Nehmen Sie bitte Platz, Herr Palzki, wollen Sie vielleicht einen Cognac?«
»Im Moment nicht, Herr Kleinmacher.«
Der Professor, der sich gerade an der Bar zu schaffen machte, drehte sich blitzschnell um und schaute mich an, als wollte er mich mit Blicken töten. »Habe ich da eben rudimentäre Bestandteile meines Namens gehört?«
Hä? Was war das? Ist da eben etwas schiefgelaufen? Was meinte er mit rudimentär? Fragend schaute ich ihn an. Dies schien er zu bemerken.
»Na ja, vielleicht ist es Ihnen nur so rausgerutscht. Sie müssen wissen, ich bestehe auf der
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