Räuberbier
so richtig.
Ich begann, mich im Flur auszuziehen. »Ich hatte einen kleinen Unfall«, berichtete ich. »Könntest du mir bitte etwas zu essen machen, während ich dusche? Ich erzähle dir nachher alles ausführlich.«
Stefanie war einverstanden und ging in die Küche. Während ich mich in Unterwäsche ins Bad bewegte, rief im Hintergrund meine Tochter: »Keine Minute später!«
Die Dusche war eine Wohltat. Meine Zunge hatte längst das Brennen eingestellt und auch der Kratzer tat nicht mehr sehr weh.
»Ich denke, dass du keine Lust auf die Pizzareste von letzter Nacht hast.« Stefanie konnte sich diese Spitze nicht verkneifen, als ich frisch gekleidet und rasierwassergetränkt in die Küche kam.
»Schade«, antwortete ich. »Je reifer, desto besser. Das gilt selbstverständlich nur für Pizza«, sagte ich und schaute meine Frau an. Sie verstand und gab mir einen freundschaftlichen Klaps.
»Deine Reife kannst du wohl nicht gemeint haben«, antwortete sie mit Sarkasmus. »Da fehlt’s nämlich noch hinten und vorne.«
Das saß. Warum mussten Frauen immer so gemein sein?
Ich ließ mir den Gemüseauflauf schmecken. Es handelte sich zwar weniger um mein Lieblingsessen, manchmal sollte man aber nicht zu wählerisch sein. Das Leben war selten ein Paradies. Auf die Flasche Pils, die mir Stefanie neben den Teller stellte, verzichtete ich heute ausnahmsweise.
Paul hatte ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Nur ein monotones Motorengeräusch hallte durch das Haus.
»Spielt er gegen sich selbst?«
Stefanie lachte. »Er hat ein paar Übernachtungsgäste. Anscheinend hat er die Spielekonsole mit in sein Zimmer genommen, ich habe noch nicht nachgeschaut. Wir wollen ihn ja schließlich zur Selbstständigkeit erziehen.«
Ich sah Stefanie an. »Du weißt, dass Paul keinen Fernseher in seinem Zimmer hat?«
Sie begriff, erblasste und erschrak gleichzeitig. »Dann geh ich mal besser nachschauen«, sagte sie und stand auf.
Ich war längst satt, als sie wiederkam.
»Der Halunke. Er hat den Fernseher von Herrn Ackermann abgestaubt. Der hat sich einen neuen gekauft, so ein Riesending mit Flachbildschirm. Paul hat so lange gebettelt, bis er den alten bekommen hat. Ich habe keine Ahnung, wie er das Gerät in sein Zimmer geschleppt hat.«
»Lass ihn«, beruhigte ich Stefanie und dachte dabei an so manche Kinder- und Jugendsünde meinerseits.
Der Abend endete geruhsam. Ich erzählte meiner Frau von dem Gewölbekeller in der Klinik, selbstverständlich die Sache mit dem Kohlenstoffdioxid auslassend, von dem schrägen Professor in Kleinkarlbach mit seinem Ponyhund, der Festnahme des Laborleiters der Eichbaum-Brauerei und zuletzt dem Fund des toten Schönhausens im Keller der Brauerei. Die Sache im Getränkelager erachtete ich bei meiner Erzählung eher als vernachlässigbar. Ich musste meine schwangere Frau schonen.
Während der allabendlichen Massage brachte ich ihr schonend bei, dass morgen wahrscheinlich ein weiterer schwerer Arbeitstag vor mir lag. Trotz Silvester liefen immer noch ein oder sogar mehrere Mörder frei herum. Dass wir nach wie vor nicht die blasseste Ahnung hatten, wer der oder die Täter waren, verschwieg ich ebenfalls.
»Wir stehen kurz davor, den Fall zu lösen«, sagte ich abschließend zu diesem Thema. Stefanie schlief zufrieden ein. Mich dagegen quälten Albträume. Zu viel war am vergangenen Tag passiert.
Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich mit dem Versprechen, möglichst früh zuhause zu sein, damit wir in gemütlicher Familienrunde das Jahr ausklingen lassen und um Mitternacht das Feuerwerk über Schifferstadt betrachten konnten. Treusorgend bat ich meine Frau, sich um den Fall Melanie und ihren unbändigen Partywunsch zu kümmern. Dafür würde mich meine Tochter bis ans Lebensende hassen. Aber schließlich musste ich selbst mit elf Jahren an Silvester mit meinen Eltern den Komödienstadel schauen. So extrem würde es bei uns zwar nicht werden, dennoch rechnete ich bezüglich der heutigen Abendgestaltung keinesfalls mit euphorischer Zustimmung unserer Tochter.
*
Unser Dienststellenpraktikant hatte sich eine Luftschlange um den Hals gebunden.
»Morsche«, nuschelte ich. »Haben wir schon Fastnacht?«
»Aber Herr Palzki, es ist doch Silvester! Um 13 Uhr schließen wir unsere Dienststelle und dann steigt im Sozialraum eine Party. Dieses Jahr sollen Bauchtänzerinnen kommen, hat mir vorhin Ihr Kollege Steinbeißer gesagt.«
Respekt, Gerhard. Da hatte er unserem Praktikanten einen
Weitere Kostenlose Bücher