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Räuberbier

Räuberbier

Titel: Räuberbier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gerade das Buffet auf.«
    »Ist das mit der Party wirklich ernst gemeint?«, fragte ich fassungslos.
    »Sicher«, antwortete Jutta. »Wenn du die letzten internen Mitteilungsblätter gelesen hättest, wärst du im Bilde. Heute Mittag geht hier die Post ab. Kommen Stefanie und deine Kinder auch?«
    Ich war mir nach wie vor unsicher, ob das alles zu einem großen Komplott gehörte. War das ein Test, um meine geistige Zurechnungsfähigkeit zu überprüfen? Ich entschied, die Sache zu ignorieren, und nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche.
    »Was macht dein Rabattkartenprojekt?«, fragte ich Gerhard, während ich lustlos in den Akten stöberte.
    »KPD hat einen Antrag ans Präsidium geschickt«, antwortete dieser. »Aber dort ist in den nächsten Tagen niemand zu erreichen.«
    »Lass mich raten: Alle sind krank oder in Urlaub.«
    Gerhard nickte. »Heute ist ein Leserbrief in der Zeitung. Sogar der Bevölkerung fällt langsam auf, dass im Moment nur sehr wenige Streifenwagen unterwegs sind.«
    »Das könnte man recht einfach lösen«, sagte ich. »Da setzt man ein paar Praktikanten in die Wagen und lässt diese ein bisschen spazieren fahren.«
    »Genau das hat KPD auch vorgeschlagen«, antwortete Jutta. »Habt ihr euch abgesprochen?«
    Ich blätterte weiter lustlos in den Papieren, ohne mitzubekommen, was da überhaupt stand. »Was ist das für Zeug, Jürgen?«
    Jürgen blickte kurz zu Jutta, dann zu Gerhard und zum Schluss zu mir. »Geht’s dir wirklich gut? Das sind die Recherchen, die du beauftragt hast.«
    »Ach so, ja, tschuldigung.« Ich vertiefte mich in den Unterlagen. Alles Nebenkriegsschauplätze, dachte ich. Als ob es relevant wäre, ob Schönhausens Nachbarin einen Lover in ihrer Wohnung hatte oder nicht. Jürgens Recherchen waren gründlich. Sogar das Alter von Mimose und die Schulzeugnisse von Karl-Heinz Schönhausen, die bis zur siebten Klasse reichten, waren enthalten. Doch was war das? Irgendetwas stand da, was meine Synapsen in Aufruhr brachte. Es klickte und schaltete in meinem Hirn, es war wie das berühmte Gefühl, dass einem etwas auf der Zunge lag. Ich wurde aufgeregt, was meine Kollegen sofort besorgt zur Kenntnis nahmen. Egal, Hauptsache, ich wurde jetzt nicht meiner Gedanken beraubt. Ich nahm einen weiteren Schluck Cola, und im gleichen Moment war der Gedanke klar, der Zusammenhang lag logisch vor mir. So, und nicht anders musste es gewesen sein. Irrtum ausgeschlossen. So hoffte ich zumindest.
    »Reiner, du sollst kein Koffein trinken, wenn es dir schlecht geht.«
    Juttas Worte hörte ich, als wären sie weit weg. Ich legte die Akte auf den Tisch und stand auf.
    »Wo gehst du hin, Reiner?«
    Ich nuschelte was von Toilette und verließ Juttas Büro. Sie ließen mich alleine gehen, was mich wunderte und zugleich freute. So krank konnte ich in ihren Augen folglich nicht sein.
    Den Praktikanten, der gerade die Mitarbeiter vom Partyservice zum bestimmt wiederholten Male filzte, ließ ich links liegen. Ich stieg in meinen Dienstwagen und fuhr in den Westen von Schifferstadt. Seltsam, dachte ich. Lange Zeit hatte ich meinen Freund nur recht selten besucht, in den letzten Monaten dafür überproportional häufig. Ich ging nicht davon aus, dass er sich ärgern würde, wenn ich ihn schon wieder besuchte. Ich parkte im Kestenbergerweg direkt vor seinem Einfamilienhaus aus den 70er-Jahren. Die Trümmerreste der Garage und des dahinter liegenden Labors waren inzwischen beseitigt. Eine verheerende Explosion hatte die Nebengebäude vor ein paar Wochen vollkommen zerstört. An dem nur wenig in Mitleidenschaft gezogenen Wohnhaus von Jacques Bosco waren inzwischen die zerborstenen Fensterscheiben und Dachziegeln ausgetauscht worden. Das Labor würde erst im Frühjahr neu gebaut werden. Bis dahin wohnte und experimentierte er in Küche und Wohnzimmer. Jacques Bosco war einer der letzten Allgemeingelehrten der Menschheit. Er erfand Sachen in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen. Für vieles war die Menschheit noch nicht bereit, und Jacques’ nicht vorhandenes Vermarktungstalent tat sein Übriges. So kam es, dass fast alle seine Erfindungen, die die Welt erheblich weiterbringen würden, in seinen Schubladen, beziehungsweise im Lager seines Kellers verschwanden. Erst viele Generationen später würden sie durch andere Personen wiederentdeckt werden, da war ich mir sicher.
    Jacques, der wie ein väterlicher Freund zu mir war, brauchte kein Großlabor und zig Angestellte. Alles, was er tat, tat er

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