Räuberbier
tun?«
Die Betroffenheit klang echt. In normalen Situationen würde ich dies jetzt ein wenig auskosten und vielleicht auch ausnutzen. Doch dazu war wirklich nicht der richtige Tag.
»Ich bin überhaupt nicht krank, Leute. Ich mag heute nur kein Bier.«
Gerhard überlegte. »Das widerspricht sich aber.«
»Haha«, lachte ich pflichtbewusst. »Ich kann auch ohne Alkohol Silvester feiern. Helau, Ahoi.« Schnell fügte ich an: »Ja, ich weiß, dass wir keine Fastnacht haben.«
»An Fastnacht feiern wir in einem größeren Saal.«
Wir blickten alle erschrocken auf. Unbemerkt war KPD hinzugetreten. Er musste meinen letzten Satz gehört haben. In der Hand hielt er ein gefülltes Weinglas.
»Eine exzellente Spätlese, Herr Palzki. Müssen Sie unbedingt mal probieren. Wenn sie Ihnen schmeckt, lade ich Sie gerne einmal zu einer Weinprobe ein.«
Meinen entgeisterten Blick wertete er als Zustimmung.
»Oder wissen Sie was? Das ziehen wir gleich ein paar Nummern größer auf. Wir organisieren eine Weinprobe für die ganze Kriminalinspektion. Ja, ich habe in der Vergangenheit mitbekommen, dass wir hier ein paar Biertrinker haben. Mal schauen, ob die sich nicht auch für den Rebensaft begeistern können.«
»Das glaube ich kaum«, konterte ich, ohne zu wissen, warum ich das sagte. Damit erzielte ich KPDs volle Aufmerksamkeit, was so nicht von mir gewollt war.
»Und warum nicht?«, fragte er und zog dabei das letzte Wort in die Höhe und die Länge.
Wieder einmal war mein Mundwerk schneller als mein Hirn. »Weil im Wein kein Hopfen drin ist.«
Mein Vorgesetzter versuchte, diese Information zu verarbeiten, was ihm aber misslang. »Wieso sollte das wichtig sein?«, fragte er unsicher.
»Hopfen macht schlau«, antwortete ich und es wurde still. Selbst das Lied war in der gleichen Sekunde zu Ende gegangen.
KPD holte Luft, sehr viel Luft. Das Donnerwetter würde furchtbar werden. Ich rechnete mindestens mit einem Eintrag in die Personalakte und einem Monat Streifendienst auf dem Campingplatz ›Auf der Au‹.
Ausgerechnet der Student schaltete am schnellsten und rettete mich.
»Herr Diefenbach«, sprach Becker unseren Chef an. »Dürfte ich mit Ihnen ein Interview durchführen? Ich will Ihre Aufklärungsquote ins rechte Licht rücken und für die Bürger draußen in der Zeitung die Arbeit der Polizei würdigen. Insbesondere die Ihrige, Herr Diefenbach.«
Dieser Schleimer, dachte ich. Lieber Schichtdienst schieben, als mich so herabzulassen. Das war mit Menschenwürde unvereinbar.
»Das machen wir selbstverständlich sofort«, erklärte dieser, und die Sache mit dem Hopfen war vergessen. »Gehen wir in mein Büro, da sind wir ungestört. Ich sage am Buffet Bescheid, dass man uns ein paar Häppchen vorbeibringt.«
Diefenbach und Becker zogen ab. Der Student drehte sich kurz zu mir um: »Wann können wir reden?«
»Nächstes Jahr«, antwortete ich, obwohl ich eigentlich übernächstes Jahr meinte. Becker war zufrieden und trabte unserem Vorgesetzten nach.
Die Neue Deutsche Welle, inzwischen fast 30 Jahre alt, setzte wieder ein. Markus dröhnte sein ›Ich will Spaß, ich will Spaß‹.
Jutta stand auf. »Ich komme gleich wieder.«
Gerhard hatte sich damit abgefunden, das Bier alleine zu trinken. Es schien ihm nicht allzu viel auszumachen. Nach höchstens drei Minuten kam Jutta zurück.
»Ich habe kurz telefoniert. Sie kommen gleich vorbei.«
»Hast du einen Arzt angerufen?«, fragte ich erbost.
»Nein, wieso«, antwortete Jutta. »Brauchst du einen?«
Ärgerlich winkte ich ab. »Wen hast du angerufen?« Ich ahnte unbestimmtes Unheil.
»Deine Frau. Sie kommt mit Melanie und Paul vorbei.«
»Was hast du getan?« Ich glaubte mal wieder, im falschen Film zu sein.
Jutta reagierte gelassen. »Schau dich doch um. Viele Kollegen haben ihre Familie dabei. Das war der ausdrückliche Wunsch von KPD. Du willst doch deine Familie nicht zuhause versauern lassen, oder?«
Ich blickte auf die Uhr. »Wie lange soll diese Spaßveranstaltung eigentlich gehen?«
»Hast du KPDs Mitteilungsblatt etwa nicht gelesen?«, meinte sie sarkastisch. »Vor Mitternacht kommt hier niemand raus.«
»Das geht nicht«, antwortete ich. »Ich habe meiner Familie versprochen, mit ihnen zusammen Silvester zu feiern.«
Jutta trank ihre Apfelsaftschorle leer. »Na, dann ist ja alles prima. Ihr feiert einfach hier zusammen. Ist schließlich viel billiger. KPD hat mal wieder irgendeinen Schwarzgeldetat angebohrt. Ich glaube, die Handkasse für
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