Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Bäume im Park hinter der Büste vom König Max I. Joseph hätten wässern dürfen. Natürlich hatte der Chef nicht wissen können, dass diese Immobilienkäufer allesamt Zivilversager gewesen waren, denn er war ja noch nie in Amerika gewesen und kannte weder die Häuser noch die Menschen. Aber Mitleid hatte Irene Heigelmoser mit ihm trotzdem keines gehabt.
»Willst du das verhindern«, Jorina zögerte, »dass ich dein Hirn zu Matsch schieße?«
»Ja«, hauchte der Bankchef.
»Dann gehen wir jetzt gemeinsam in den Keller, und du schließt uns den Tresorraum auf.«
»Uns ist auch gelegen daran, dass die Spuk bald ’at ein Endö«, fügte Rififi hinzu, der die Szene schweigend beobachtet hatte.
»Könnten Sie bitte … die Pistole … für einen Augenblick von meinem Kopf … wegnehmen? Ich möchte etwas erklären«, wisperte Robert Ochsenknecht, der sonst ein Großmaul vor dem Herrn war, das fand jedenfalls Irene Heigelmoser.
Jorina zog den Revolver zurück, ging um den am Boden sitzenden Banker herum und stellte sich breitbeinig in etwa einem Meter Entfernung vor ihm auf. Zweifellos eine Demonstration ihrer Macht.
Irene Heigelmoser konnte nicht umhin, die langen schlanken Beine der Bankräuberin zu bewundern, die aus beigefarbenen Shorts ragten und in gelben Joggingschuhen mit blauen Streifen endeten, doch wanderte ihr Blick sofort zum Gesicht Jorinas zurück, als diese den Filialleiter anblaffte: »Also, was? Was willst du erklären? Ich verliere langsam die Geduld!«
Mit zittriger Stimme erläuterte Ochsenknecht, dass er allein nicht in der Lage sei, den Tresor zu öffnen. Hier gelte das Prinzip der vier Augen. Auch er als Chef könne nur gemeinsam mit seiner Stellvertreterin den Raum aufsperren.
»Föck«, entfuhr es Rififi.
Die Putzfrau konnte zwar kein Französisch, aber sie vermutete, dass dieses ausländische Wort das Gleiche bedeutete wie das englische »Fuck«. In jedem Fall war der Franzose wütend, denn er drehte sich nun um und trat so heftig gegen den vor der Wand stehenden Aktenschrank, dass fünf Leitzordner herunterfielen.
»Die Bausparverträge!«, heulte Ochsenknecht noch auf, bevor Jorina zwei rasche Schritte auf ihn zu machte, sodass sein Kopf nun direkt vor ihrem Unterleib war, und ihm von oben die Waffe in den schweißnassen Strähnchenpelz drückte.
»Schnauze!«, fuhr sie ihn an. Dann ließ die Verbrecherin den Revolver langsam nach vorn gleiten, und als der Lauf der Waffe an der Stirn angelangt war, gab sie Ochsenknecht nur einen leichten Stupser, woraufhin der Filialleiter zeitlupenartig nach hinten kippte. Ochsenknecht lag nun tatsächlich auf dem fleckigen Teppichboden, als hätte ihn jemand erschossen.
Nachdem die Bankräuber das Zimmer verlassen hatten, schwiegen die Putzfrau und der Filialleiter erst einmal eine ganze Weile vor sich hin. Draußen hörten sie ein Tuten, vermutlich fuhr gerade ein Zug vom Bahnhof ab.
Das Leben war schon seltsam, dachte sich Irene Heigelmoser: Stimmte es wirklich, dass sie vor wenigen Stunden noch eine freie Person gewesen war, die ihren Morgenkaffee im Bett genossen hatte, während die Sonne zum offenen Fenster hereingestrahlt hatte? Und dass sie jetzt mittendrin steckte in einem Verbrechen, das echt war und garantiert kein Film?
Ochsenknechts schweres Atmen riss sie aus ihren Gedanken. Der Chef pumpte wie ein Dampfschiff. Was war los mit dem Depp?
»Sie werden mir jetzt aber keinen Herzinfarkt kriegen, Herr Filialleiter«, wandte sie sich an ihren Chef. »Ich hab fei keine Lust, dann wieder mit diesen zwei Gewalttätern allein zu sein. Es ist schon besser, wenn Sie überleben.«
Dann geht’s nämlich ihm an den Kragen und nicht mir, dachte sich Irene Heigelmoser insgeheim, aber das sagte sie dem Ochsenknecht natürlich nicht.
Der erwiderte ohnehin nichts. Immerhin hörte er auf, so schlimm zu atmen. Kurz überlegte Irene Heigelmoser, ob der Chef nur simuliert haben könnte, aber dann schweiften ihre Gedanken ab, und sie analysierte noch einmal fasziniert ihre Situation: Da lag sie also nun neben ihrem Chef auf dem Teppich, gerade wie ein Ehepaar im Ehebett. Was es nicht für Sachen gab! Das Leben war vielleicht kein Wunschkonzert, aber doch eine Wundertüte voller Überraschungen. Irene Heigelmoser musste – dies bei allem Ernst der Lage – schmunzeln. Und sie träumte: Stünde der Altersunterschied nicht zwischen ihnen – der Chef war mit seinen neunundzwanzig Jahren ja wirklich noch ein Jungspund –, dann könnte man sogar noch
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