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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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begriff, dass mich vor allem das Gefühl ärgerte, mich selbst enttäuscht zu haben, zu verlieren, ohne mein Bestes gegeben zu haben. Statt nach Hause zu fahren, ging mein Vater mit mir in ein Restaurant am Meer, wo ich mein damaliges Lieblingsessen bekam, gebratene Shrimps. Während des Essens redeten wir nicht viel, aber uns beiden war klar, dass wir eine Brücke überschritten und etwas ausgesprochen hatten, was mich für lange Zeit prägen sollte.
    Elf Jahre später, 2007, erlebte ich die gleiche Verzweiflung, als ich das Finale von Wimbledon gegen Roger Federer verlor. Unter Tränen dachte ich: »Das möchte ich nie wieder erleben.« Dieser Gedanke erfüllte mich auch zu Beginn des Endspiels von Wimbledon im Jahr 2008, wenn auch wesentlich konstruktiver und gefasster.
    Den ersten Punkt bei Federers Aufschlag zu gewinnen – und zwar durch ein gutes Spiel zu gewinnen – war der erste Schritt, eine seit zwölf Monaten schwärende Wunde zu heilen. Aber beim zweiten Punkt endete ein ordentlicher Ballwechsel damit, dass ich voreilig einen Winner versuchte, eine ziemlich heftige Vorhand ins Aus schlug und wir wieder am Anfang standen. So ist Tennis. Man gewinnt nach einem langen, ausgeglichenen Ballwechsel durch einen guten Schlag einen großartigen Punkt, der aber letztlich nicht mehr zählt als der Punkt, den man an den Gegner verschenkt. Was nun Champions von Beinahe-Champions unterscheidet ist die mentale Stärke. Sofort schiebt man seinen Fehler beiseite und sorgt für einen klaren Kopf. Man lässt nicht zu, dass man darüber großartig nachdenkt, sondern bezieht Kraft aus dem ersten erzielten Punkt, baut darauf auf und denkt nur an das, was als Nächstes kommt.
    Das Problem war allerdings, dass Federer allzu bald unter Beweis stellte, wieso er der beste Tennisspieler der Welt war. Er gewann das Spiel mit einer donnernden Cross-Rückhand, einem Vorhand-Drive entlang der Linie und einem Ass. Als ich an meinen Stuhl ging, war ich klüger und auf Dauer auch stärker, weil er mir sofort klar gemacht hatte, dass sich der mühelose Sieg, den ich nur 28 Tage zuvor bei den French Open über ihn erzielt hatte, diesmal nicht wiederholen würde und dass Federers Aufschlag auf Rasen, der für gute Aufschlagspieler ideal ist, wesentlich besser war als meiner.
    Auch wenn er das erste Spiel zu 15 gewann, gab es für mich einen gewissen Trost und vieles, was mich im Glauben an meinen Sieg bestärkte. Vier der fünf Punkte hatte ich zwar verloren, aber es hatte bei allen lange Ballwechsel gegeben, bei denen ich ein gutes Timing bewiesen hatte. Er hatte kämpfen müssen, um seinen Aufschlag durchzubringen. Der Nachteil war, dass ich nun vermutlich über den gesamten Satz hinweg einen Rückstand aufholen musste, um mit ihm gleichzuziehen.
    Es lief besser als erwartet. Mein Plan war, den Aufschlag in seine Rückhandecke zu platzieren, was ich im zweiten Spiel bei jedem Punkt und praktisch durchgängig bei jedem meiner Aufschläge tat. Mein vierter Aufschlag ermutigte mich, diese Taktik beizubehalten. Ich servierte auf seine Rückhand; seinen hohen, angeschnittenen Return schlug ich wieder weit auf seine Rückhand, immer wieder spielte ich den Ball mit Topspin hoch und weit auf seine Rückhand und drängte ihn unbehaglich zurück. Vier Bälle zielten einer nach dem anderen auf die gleiche Stelle hoch an seiner Linken. Ihm blieb jedes Mal kaum etwas anderes übrig, als einen Slice auf die Platzmitte zu spielen, was mir Zeit ließ, in Position zu gehen und den Ball genau dahin zu schlagen, wo ich ihn haben wollte. Hätte ich seine Vorhand getroffen, hätte er einen flacheren, kräftigeren Return riskiert, und ich hätte vielleicht die Kontrolle über den Ballwechsel verloren. Aber so behielt ich die Oberhand, und schließlich verlor er für einen entscheidenden Moment seinen kühlen Kopf und wagte einen Rückhand-Drive, der hoch und weit ins Aus flog. Auf diese Weise würde ich zwar nicht jeden Ballwechsel gewinnen, aber es war ein klares Zeichen, dass ich auf dem richtigen Weg war.
    Das nächste Spiel brachte den Durchbruch. Federer hatte bei den sechs Matchs auf dem Weg ins Finale nur zwei Aufschlagspiele verloren; dieses sollte sein drittes werden. Einen Punkt erzielte ich mit einem weiten Schlag in seine Vorhandecke, ansonsten trieb ich ihn auf die Rückhandseite zurück. Drei Mal verpatzte er seine Schläge. Ich lag 2:1 vorn, hatte den nächsten Aufschlag und gewann vorerst den psychologischen Kampf, was sich gewöhnlich so

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