RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
seinen Ansichten in Bezug auf die Kindererziehung. »Das Problem ist heutzutage, dass Kinder zu stark im Zentrum der Aufmerksam stehen. Ihre Eltern, ihre Familien, alle um sie herum halten es für nötig, sie auf ein Podest zu heben. Es wird so viel Energie darauf verwendet, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, dass sie das Gefühl haben, an sich schon etwas Besonderes zu sein, ohne etwas getan zu haben. Das verwirrt die jungen Leute: Sie begreifen nicht, dass man nicht dadurch, wer man ist, sondern durch das, was man tut, etwas Besonderes ist.«
»Ich erlebe das ständig, und wenn sie dann schließlich Geld verdienen, ein bisschen berühmt werden, ihnen alles leicht gemacht wird, ihnen nie jemand widerspricht und sie in allen Kleinigkeiten des Lebens bedient werden, tja … dann hat man letzten Endes die unerträglichsten verwöhnten Bälger.«
Dieses Phänomen ist im Profisport so verbreitet, dass es nach Tonis Ansicht irritierend ist, wenn ein brillanter junger Sportler sich nicht wie ein verwöhntes Gör, sondern wie ein normaler anständiger Mensch benimmt. Spitzensportler sind von gierigen Jasagern umgeben, die ständig um sie herumscharwenzeln und ihnen so lange einreden, sie seien Götter, bis sie es selbst glauben. Rafa Nadals bodenständige Höflichkeit, die weit vom Normalen abweicht, wird immer wieder hervorgehoben, und darauf ist Toni stolz.
Rafa Nadals gesamte Erziehung zielte darauf ab, ihn auf dieses Verhalten vorzubereiten. Sollte er ein Superstar werden, wollten Toni und seine Eltern auf jeden Fall dafür sorgen, dass er bescheiden blieb. Sollte seine Bescheidenheit Beifall ernten, was häufig geschah, würden sie es als übertriebenes Lob abtun. »Man muss bescheiden sein, punkt«, erklärt Toni. »Das ist kein besonderes Verdienst. Außerdem würde ich Rafael nicht als ›bescheiden‹ bezeichnen. Er kennt einfach seinen Platz in der Welt. Jeder sollte seinen Platz in der Welt kennen. Die Sache ist doch, dass die Welt schon groß genug ist, auch ohne dass du dich für groß hältst. Die Leute übertreiben das mit der Bescheidenheit manchmal. Es geht doch nur darum, zu wissen, wer du bist, wo du stehst und dass die Welt ohne dich genauso weiterbesteht, wie sie ist.«
Tonis Reflex, auch den kleinsten Anflug von Selbstgefälligkeit oder Dünkel bei seinem Neffen im Keim zu ersticken, macht ihn indes nicht blind für dessen Qualitäten oder den Einfluss, den seine Eltern auf ihn haben. »Ich glaube nicht, dass er sich von sich aus schlecht entwickelt hätte«, erklärt er. »Wegen seiner Eltern, die auf ihre Art genauso unprätentiös sind wie ich, und wegen seiner eigenen Art. Er war immer folgsam, was bei einem Kind ein Zeichen von Intelligenz ist, weil es zeigt, dass du begreifst, dass die Älteren es besser wissen als du, und dass du ihre größere Lebenserfahrung respektierst. Ich glaube also, dass wir hier mit dem besten Rohmaterial arbeiten konnten. Allerdings habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diese Eigenschaften zu fördern. Als ich sein enormes Potenzial erkannte, überlegte ich, welche Art Mensch ich, ganz abgesehen von seinen tatsächlichen Fähigkeiten als Spieler, gern auf dem Platz erleben würde. Jemanden mit Persönlichkeit, aber keinen Angeber. Ich mag keine Diven, und davon gibt es in der Tenniswelt eine Menge. Darum habe ich ihm verboten, während eines Matchs jemals den Schläger auf den Boden zu werfen; darum habe ich immer darauf bestanden, dass er beim Spielen ›gute Miene‹ macht, wie ich es nenne – ruhig und ernst, nicht wütend oder verärgert; darum war es immer wichtig, sich bei Sieg und Niederlage dem Gegner gegenüber sportlich und freundlich zu verhalten.«
Respekt vor anderen, wer sie auch sein und was sie auch tun mögen, ist die Grundlage von allem, erklärt Toni: »Es ist völlig inakzeptabel, dass Leute, die alles im Leben haben, sich ungehobelt gegenüber anderen verhalten. Nein, je höher man steht, umso größer ist die Verpflichtung, Menschen mit Respekt zu behandeln. Ich hätte es gehasst, wenn mein Neffe sich anders entwickelt, auf dem Tennisplatz Wutanfälle bekommen und sich seinen Gegnern gegenüber unmöglich benommen hätte, während die ganze Welt im Fernsehen zuschaut. Ich hätte es auch nicht gemocht, wenn er sich gegenüber Schiedsrichtern oder Fans unhöflich benommen hätte. Ich und auch seine Eltern sagen immer, es ist wichtiger, ein guter Mensch als ein guter Tennisspieler zu sein.«
Toni selbst ist aber selbstkritisch genug, um
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