RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
so ist, wie ich immer war und auch wäre, wenn ich etwas anderes aus meinem Leben gemacht hätte, unabhängig davon, ob ich nun damit bekannt geworden wäre oder nicht. Miguel Ángel war auch für meine Familie sehr wichtig: Die Erfahrung mit ihm bereitete sie auf die Erfahrung mit mir vor. Mit meiner Berühmtheit konnten sie besser und selbstverständlicher umgehen, als es ohne ihn der Fall gewesen wäre.
Miguel Ángel ist heute Trainerassistent beim spanischen Erstligaverein Mallorca. Wie er mir neulich erklärte, lassen manche andere Sprösslinge aus Prominentenfamilien sich ihren Erfolg zu Kopf steigen, wenn sie selbst berühmt werden; aber ganz abgesehen von seinem Beitrag hätten meine Eltern und Toni mich darauf vorbereitet, mit sämtlichen Fallstricken der Berühmtheit umzugehen, und ich sei klug genug gewesen, diese Lehren anzunehmen. Nach seiner Ansicht ist mir nicht wirklich bewusst, was ich erreicht habe. Damit mag er durchaus Recht haben, was vermutlich nur gut ist.
Hätte ich mich nicht für Tennis, sondern für eine Karriere als Profifußballer entschieden, wäre vielleicht vieles anders gekommen. Alle Kinder auf Mallorca spielten Fußball, ganz gleich, ob ihre Familie mit diesem Sport zu tun hatte oder nicht. Ich nahm das Spiel todernst. Miguel Ángel lebte in den ersten Jahren seiner Profikarriere noch bei meinen Großeltern. Wenn er am nächsten Tag ein Spiel hatte, sagte ich abends zu ihm: »Komm! Wir müssen trainieren! Morgen müssen wir gewinnen!« Obwohl ich erst vier Jahre alt war, führte ich ihn und meinen Onkel Rafael hinunter in die Garage zu einem harten Lauftraining mit und ohne Ball. Wenn ich heute daran zurückdenke, ist es zwar komisch, aber ich glaube, das Bewusstsein, wie wichtig gute Vorbereitung für den sportlichen Erfolg ist, bestärkte mich in der Vorstellung, dass dein Spiel dir so viel gibt, wie du hineinsteckst.
Fußball war von Kind auf meine Leidenschaft und ist es noch heute. Wenn ich bei einem Turnier in Australien oder Bangkok bin und morgens um fünf ein wichtiges Spiel von Real Madrid im Fernsehen übertragen wird, stehe ich auf, um es mir anzusehen – selbst wenn ich am selben Tag ein Match habe. Bei Bedarf stelle ich mein tägliches Trainingsprogramm zeitlich auf solche Spiele ein. Ich bin ein Fanatiker. Mein Patenonkel erinnert sich, dass er mir als Vierjährigem die Abzeichen sämtlicher spanischer Erstligavereine zeigte und ich sie zu seiner Verwunderung ausnahmslos richtig zuordnen konnte. Ganz gleich, auf welcher Ebene ich Fußball spielte, selbst mit meinen Onkeln in der Garage, wurde ich furchtbar wütend, wenn ich verlor. Und ich wollte nie aufhören. Mein Onkel Rafael erinnert sich immer noch mit einigem Schrecken an die Wochenenden, an denen ich bei ihm übernachtete und ihn am Samstagmorgen um halb zehn weckte, damit er draußen mit mir spielte, obwohl er erst um fünf Uhr morgens ins Bett gekommen war. Ein Teil von ihm hasste mich damals deswegen, aber meiner Begeisterung konnte er nicht widerstehen, wie er sagt. Heute finde ich mich in seiner Lage wieder. Als ältester von 13 Vettern werde ich nun auch nach einer langen Nacht geweckt, um mit ihnen Fußball zu spielen. Aber ich bin immer dazu bereit, weil es mir einfach viel Spaß macht und ich nicht vergessen habe, wie ernst mir das Fußballspielen als Kind war, besonders nachdem ich mit sieben Jahren anfing, im örtlichen Fußballverein von Manacor zu spielen und an Jugendturnieren teilzunehmen.
Nach jedem Einsatz analysierte ich das Spiel ebenso eingehend wie die Erstligaspiele meines Onkels, woran mein Vater und Miguel Ángel mich heute noch gern erinnern. Meine Schwächen diskutierte ich ebenso wie meine Tore, von denen ich als linker Stürmer einige (etwa fünfzig in einer Saison) erzielte, obwohl ich ein Jahr jünger war als die übrigen Spieler der Mannschaft. Wir trainierten die ganze Woche über, und am Vorabend eines Spiels war ich ein Nervenbündel. Um sechs Uhr morgens wachte ich auf, ging in Gedanken das Spiel durch und bereitete mich mental darauf vor. Vor einem Spiel putzte ich immer gründlich meine Fußballschuhe, teils um mich zu beruhigen. Meine Mutter und meine Schwester müssen bei der Erinnerung daran immer kichern; sie behaupten, in Bezug auf den Sport sei ich diszipliniert und ordentlich, in allem anderen aber zerstreut und chaotisch. Damit haben sie durchaus Recht. Mein Zimmer zu Hause ist immer durcheinander – das gilt auch für meine Hotelzimmer auf Reisen – und
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