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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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innewohnt. Anders als im Basketball, wo der Sieger immer derjenige ist, der die meisten Punkte erzielt hat, hängt das Resultat im Tennis oft weniger davon ab, insgesamt der bessere Spieler zu sein, als vielmehr davon, in entscheidenden Momenten Punkte zu erzielen. Deshalb ist Tennis ein so stark psychologisch geprägter Sport. Und aus eben diesem Grund sollte man sich einen Sieg nie zu Kopf steigen lassen. Im Augenblick des Sieges, ja, da darfst du in Euphorie ausbrechen. Aber später, wenn du dir ein gewonnenes Match anschaust, merkst du oft – manchmal sogar schaudernd –, wie knapp du einer Niederlage entronnen bist.
    Dann ist es höchste Zeit die Gründe zu analysieren: Habe ich die Konzentration verloren, gibt es Facetten meines Spiels, die ich verbessern muss, oder beides?
    Mir meine Matchs noch einmal genau und leidenschaftslos anzusehen hat noch einen weiteren positiven Effekt: Indem ich das Können meiner Gegner sehe und würdige, wenn ich beispielsweise wunderbare Gewinnschläge von ihnen sehe, lerne ich, Punktverluste gegen sie gelassener zu nehmen. Manche Spieler geraten in Wut und Verzweiflung, wenn ihrem Gegner ein Ass oder ein hervorragender Passierschlag gelingt. Das ist der Weg hin zur Selbstzerstörung. Und es ist verrückt, denn es zeugt von dem Glauben, in einer idealen Tenniswelt könne man den Gegner von Anfang bis Ende eines Spiels durchgängig in Schach halten. Traut man dem Gegner jedoch mehr zu, hat man weniger Probleme damit zu akzeptieren, dass er einen Ball geschlagen hat, gegen den man gar nichts ausrichten konnte. Begnügt man sich also für einen kurzen Moment mit der Zuschauerrolle und erkennt großzügig eine glänzende Spielpartie an, dann findet man viel besser seine Balance und innere Ruhe und nimmt sich den eigenen Druck. Innerlich applaudiert man, äußerlich zuckt man die Achseln und wendet sich dem nächsten Ballwechsel in dem Bewusstsein zu, dass man nicht etwa die Tennisgötter gegen sich oder selbst einen schlechten Tag hat, sondern dass man bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich selbst den unspielbaren Winner schlägt.
    Letzten Endes muss man begreifen, dass zwischen den Spitzenspielern nur geringfügige, praktisch marginale Unterschiede im Können bestehen und die Matchs zwischen ihnen durch eine Handvoll Punkte entschieden werden. Wenn ich und Toni sagen, dass mein Erfolg großenteils auf meiner Bescheidenheit basiert, so ist das durchaus nicht als geschickte PR-Idee gemeint oder als Versuch gedacht, mich als ausgewogenen, moralisch überlegenen Menschen hinzustellen. Die Bedeutung der Bescheidenheit zu begreifen heißt zu verstehen, wie wichtig es ist, in den entscheidenden Spielphasen maximale Konzentration aufzubringen und zu wissen, dass man nicht allein durch ein gottgegebenes Talent siegen wird. Ich vergleiche mich nicht gern mit anderen Spielern, aber ich glaube, dass ich mental vielleicht einen gewissen Vorteil entwickelt habe. Das soll keineswegs heißen, dass ich zu Beginn einer Saison keine Angst oder Zweifel hätte, wie die Dinge laufen werden. Die habe ich durchaus, gerade weil ich weiß, wie gering die Unterschiede zwischen den Weltklassespielern sind. Allerdings glaube ich, dass ich vielen meiner Rivalen in meiner Fähigkeit überlegen bin, Schwierigkeiten zu akzeptieren und zu überwinden.
    Das mag einer der Gründe sein, weshalb ich Golf so mag: Auch dieser Sport setzt auf eine Eigenschaft, die ich im Tennis erworben habe, nämlich unter Druck Ruhe zu bewahren. Man braucht eindeutig Talent und viel Übung, aber auch beim Golf ist es unerlässlich, dass man sein Spiel nicht durch einen schlechten Schlag irritieren lässt. Wenn es außerhalb des Tennis einen Sportler gibt, den ich bewundere, dann ist es Tiger Woods. In seiner Bestform sehe ich in ihm, wie ich selbst gern wäre. Mir gefällt sein Gewinnerblick beim Spiel und vor allem die Einstellung, mit der er sich den entscheidenden Momenten stellt, in denen ein Spiel gewonnen oder verloren wird. Er mag einen Ball verschlagen und sich darüber ärgern, aber sobald er zum nächsten Schlag ansetzt, ist er wieder völlig fokussiert. Unter Druck tut er fast immer das, was er tun muss, und trifft beinahe nie die falsche Entscheidung. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, dass er noch nie ein Turnier verloren hat, wenn er als Führender in die letzte Runde gegangen ist. Dazu muss man sehr gut sein, das allein reicht jedoch nicht. Man muss einschätzen können, wann man ein Risiko eingehen darf und wann man

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