RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
wechselte die Tapestreifen an meinen Fingern, und ich zog mich um. Wir sprachen kaum. Mir war nicht nach Reden. Federer wirkte entspannter, plauderte und lachte sogar mit seinen Leuten. Er war zwar zwei Sätze im Rückstand, aber ich war angespannter als er. Jedenfalls wirkte ich angespannter.
Wieder auf dem Platz wollte ich unbedingt meinen Aufschlag durchbringen, um den Satz zu retten, und schaffte es auch; ebenso bei meinem nächsten Aufschlag. Es kam zum Tiebreak, in dem er mich mit seinen Aufschlägen fertigmachte und den Satz beendete, wie er ihn begonnen hatte. Mit drei Assen und einem Aufschlag, der durchaus auch ein Ass hätte werden können, entschied er den Tiebreak 7:5 und den Satz 7:6 für sich. Ich hatte meine Chance bekommen und sie mit einigen schwachen Momenten, in denen ich mich von meiner stärksten Seite hätte zeigen müssen, vertan. Aber noch immer lag ich mit 2:1 Sätzen in Führung.
HÖCHSTE
ANSPANNUNG
Am Vorabend des Daviscup-Finales von 2004 brauchte man kein besonders ausgeprägtes Gespür, um die Verärgerung in den Mienen von Juan Carlos Ferrero und Tommy Robredo wahrzunehmen, die der 18jährige Senkrechtstarter Nadal um ihren Platz in der Tennisgeschichte gebracht hatte. Bei der Pressekonferenz des Teams am Vorabend des ersten Spieltags war für jeden, der die vier für die Kameras posieren sah, offensichtlich, dass die spanische Mannschaft nicht gerade ein Bild patriotischer Harmonie war. Carlos Moyá, Spaniens Nummer eins, äußerte sich diplomatisch; Ferrero und Robredo wirkten, als wären sie lieber anderswo; Nadal war zappelig, starrte auf seine Füße und rang sich ein Lächeln ab, das kaum dazu beitrug, sein Unbehagen zu kaschieren.
»Als Rafa zu mir kam und sagte, er sei bereit, seinen Platz im Match gegen Roddick einem der beiden Älteren zu überlassen, antwortete ich, nein, das sei die Entscheidung der Teamchefs, und er habe mein volles Vertrauen. Aber innerlich hatte ich meine Zweifel.« Dasselbe sagte Moyá auch zu Toni Nadal, dem ebenfalls unbehaglich war. »Die Entscheidung war gefällt, und ich sah keinen Sinn darin, etwas anderes zu sagen, was nur noch mehr Spannungen in der Gruppe erzeugt und Rafa zusätzlich unter Druck gesetzt hätte«, erklärt Moyá.
Unverblümt riet Moyá seinem Teamkameraden Ferrero, die Entscheidung mit Fassung zu tragen und daran zu denken, dass er erheblich dazu beigetragen hatte, Spanien ins Finale zu bringen. In den Annalen des Daviscup werde das sicher zum Ausdruck kommen, und falls Moyá und Nadal das Finale gewännen, bedeute das auch für ihn einen Sieg. Unabhängig davon, ob die beiden sich von seinen Argumenten überzeugen ließen, war Moyá über Rafas Zweifel besorgt, ob man ihn zu Recht beim Finale antreten ließ. Wäre Rafa unverfrorener, weniger sensibel gewesen und hätte er die schlechte Stimmung, die plötzlich in der Gruppe herrschte, gar nicht mitbekommen oder sich davon nicht beeinflussen lassen, wäre er zumindest weniger belastet in das entscheidende Match gegen den erfahrenen amerikanischen Spitzenspieler gegangen. Aber dem war nicht so. Moyá war völlig klar, dass unter dem Gladiatorengehabe, das Rafa während eines Matchs an den Tag legte, sich eine ängstliche, sensible Seele verbarg; er kannte den Clark Kent in Rafa, den Unentschlossenen, der viele Meinungen hören musste, bevor er sich entscheiden konnte, den jungen Mann, der Angst vor der Dunkelheit und vor Hunden hatte. Wenn Nadal bei Moyá zu Besuch kam, musste er seinen Hund im Schlafzimmer einsperren, sonst war sein Gast nicht imstande, sich zu entspannen.
Rafa war ein überaus empfindsamer Mensch mit einem ausgeprägten Gespür für die Gefühle anderer, gewöhnt an eine behütete, harmonische Familie und wurde schnell aus dem Gleichgewicht gebracht, wenn böses Blut herrschte. Spaniens Daviscup-Familie war eindeutig aus dem Gleichgewicht geraten, und am schlimmsten war, dass Nadal zwar nicht die Ursache, aber doch das Zentrum des Problems bildete. Moyá spürte, dass es für seinen jungen Freund schwieriger als sonst werden sollte, seinen Kopf für das größte Match seines bisherigen Lebens frei zu bekommen. Und als ob das alles noch nicht schlimm genug gewesen wäre, konnte Moyá nicht übersehen, dass Rafa in der vergangenen Woche im Training zwar einen hervorragenden Eindruck machte, aber erst 14 Tage zuvor gegen einen Spieler verloren hatte, der in der Weltrangliste Platz 400 einnahm. Und sein Aufschlag war auffallend schwächer als
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