RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Roddicks, der um nahezu 50 Prozent schneller war.
Aber es gab für Moyá durchaus auch gute Gründe, an seinen jungen Teamkameraden zu glauben. Er kannte Rafa seit dessen 12. Lebensjahr, hatte unzählige Male mit ihm trainiert und zwei Jahre zuvor bei einem wichtigen Turnier gegen ihn verloren. Kein Spitzenspieler stand Rafa näher und keiner sollte auch zukünftig mit ihm auf vertrauterem Fuß stehen als sein mallorquinischer Landsmann. Moyá, der zehn Jahre älter war als Nadal und 1999 Pete Sampras für kurze Zeit den Spitzenplatz in der Weltrangliste abgejagt hatte, kannte dessen besondere Qualitäten. Aber wie herausragend sie waren, sollte er erst erfahren, als der junge Bursche vor 27 000 Zuschauern auf den Tennisplatz in dem umgebauten Leichtathletikstadion ging und unter höchstem Druck vier aufreibende, emotional aufgeladene Sätze gegen die Nummer zwei der Weltrangliste spielte.
»Auf Mallorca redeten die Leute schon über Rafa, als er sechs oder sieben Jahre alt war«, erzählt Moyá, »auch wenn man sich anfangs fragen musste, ob es nicht eher daran lag, dass sein Onkel Miguel Ángel die Fußballlegende der Insel war. Aber die Tenniswelt ist klein – mein Trainer, Jofre Porta, trainierte ihn zeitweise ebenfalls –, und nachdem er mit acht Jahren die U12Meisterschaft Mallorcas gewonnen hatte, wurde allmählich immer mehr über ihn geredet. Ich erinnere mich, dass Jofre zu mir sagte: ›Der wird mal gut.‹ Mit zwölf Jahren gehörte er bereits zu den Weltbesten seiner Altersgruppe. Damals begegnete ich ihm zum ersten Mal.«
Diese Begegnung fand in Stuttgart statt. Moyá spielte in einem ATP-Turnier, Nadal in einem Juniorenturnier. »Jemand von Nike, der den guten Riecher hatte, ihn unter Vertrag zu nehmen, bat mich, zum Aufwärmen mit ihm zu spielen. Ich spielte etwa eine Stunde mit ihm. Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht den Eindruck, dass er talentierter war als andere Spieler seines Alters. Es fiel mir nur auf, dass er äußerst kämpferisch war, aber überraschender fand ich seine unglaubliche Schüchternheit. Als wir uns zur Begrüßung die Hand reichten, schaute er mich nicht einmal an und brachte kaum einen Ton heraus. Wahrscheinlich war er ein bisschen zu sehr eingeschüchtert, weil ich in den Medien einiges Aufsehen erregt hatte, als ich es in dem Jahr als Ungesetzter bis ins Finale der Australian Open geschafft hatte. Aber der Kontrast war dennoch auffallend – sogar erschreckend – zwischen dem schüchternen kleinen Jungen abseits des Platzes und dem superkämpferischen Burschen auf dem Platz, obwohl wir uns nur einschlugen und nicht mal um Punkte spielten.«
Als Nadal 14 Jahre alt war und Moyá mittlerweile sein einziges Grand-Slam-Turnier, die French Open, gewonnen hatte, fingen die beiden an, dreimal wöchentlich gemeinsam zu trainieren. »Manchmal sagen Leute zu mir: ›Du hast Rafa viel geholfen, nicht wahr?‹ Das mag schon sein, aber er hat mir ebenfalls viel gegeben. Diese Trainingsstunden waren auch für mich wertvoll. Er war bereits gut genug, mich erheblich unter Druck zu setzen, obwohl ich mich damals schon unter den Top Ten der Weltrangliste etabliert hatte. Wir spielten Sätze gegeneinander, und da ich nicht gegen einen 14jährigen verlieren wollte, half er mir, meinen Vorsprung zu halten. Ich glaube sogar, er half mir, ein besserer Spieler zu werden.«
Offensichtlicher war der Nutzen in umgekehrter Richtung: Wenn überhaupt, so hatten nur wenige aufstrebende Profitennisspieler in der Geschichte dieses Sports das Glück, mit 14 Jahren regelmäßig mit einem Spieler trainieren zu können, der ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hatte und häufig gegen Tennisgrößen wie Pete Sampras und Andre Agassi antrat. Auch in dieser Hinsicht standen die Sterne günstig für den jungen Mann, der davon träumte, ein Champion zu werden.
Rafa Nadal hatte das Glück, einen Onkel zu haben, der seine eigenen Tennisträume zwar nicht hatte verwirklichen können, sich aber mit Leib und Seele der Aufgabe widmete, einen Tennisspieler aufzubauen, der mental und körperlich an der Spitze mithalten konnte. Die restliche Familie sorgte mit ihrer Warmherzigkeit, ihrer Liebe und ihrem bemerkenswerten Zusammenhalt für ein Gegengewicht zur strengen Disziplin des Onkels. Bei seinem Onkel Miguel Ángel, einem Fußballstar, erlebte er aus nächster Nähe, wie wichtig es war, hart zu trainieren und auf sein Ziel fokussiert zu bleiben, so viel Beifall man auch bekommen mochte. Und dann gab es Carlos Moyá.
Weitere Kostenlose Bücher