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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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hat – vielleicht mit Ausnahme von Tiger Woods oder Michael Jordan. Bei den entscheidenden Punkten ist er ein Killer, seine Konzentration ist absolut, und er besitzt etwas, was ich nie hatte, einen grenzenlosen Ehrgeiz. Als ich einen Grand Slam gewann, war ich glücklich: Mein Lebenswerk war vollbracht. Rafa muss immer mehr gewinnen und wird nie genug haben.
    Bei jedem Ballwechsel treibt ihn derselbe Hunger. In einem Satz lag ich beispielsweise 5:0 in Führung, und meine Gedanken schweiften ab; ich verschenkte ein Spiel, zwei. Rafa niemals. Er verschenkt nichts; er vermittelt seinen Rivalen die niederschmetternde Botschaft, dass er alles in seiner Macht Stehende tun wird, sie 6:0, 6:0 zu schlagen.«
    Nach Moyás Ansicht ist das jedoch noch nicht alles, denn die Sache ist vielschichtiger und komplexer. Nadal hat eine Schwäche, die nach Moyás Einschätzung mit dem Zwiespalt zwischen seiner sensiblen, unsicheren Seite im Privatleben und dem sportlichen Rammbock zusammenhängt, den die Welt sieht. Demnach schüttelt Nadal auch auf dem Tennisplatz seine Clark-Kent-Anteile nicht ganz ab. So bewusst er die Verwandlung in Superman auch anstrebt und so überzeugend sie auch wirkt, gelingt sie ihm doch nicht vollständig. Moyá meint dazu: »Auf dem Platz ist er vorsichtiger, als man vielleicht denkt. Schon immer hatte er Sorge um seinen zweiten Aufschlag, deshalb schlägt er den ersten Aufschlag nicht so hart, wie er es bei seiner kräftigen Statur könnte. Dieselbe Vorsicht ist in seinem offenen Spiel festzustellen. Ich habe Tausende Male mit ihm auf dem Platz trainiert, und wenn ich ihn in einem Match sehe, bin ich immer wieder verblüfft, dass er im Training viel aggressiver ist und erheblich mehr Winner schlägt. Schon oft habe ich ihm gesagt: ›Warum lässt du nicht lockerer? Warum gehst du nicht stärker in den Platz und greifst mehr an, zumindest in den ersten Turnierrunden, in denen du häufig gegen Spieler antrittst, die du mit geschlossenen Augen schlagen könntest?‹ Aber das macht er nicht oder zumindest nicht so oft, wie er sollte. Vielleicht liegt es zum Teil an seiner Weigerung zu glauben, wie gut er wirklich ist.«
    Moyá ist überzeugt, dass Nadal sein Kämpfer-Image weniger seinem aggressiven Angriff als seiner unbeirrbaren Abwehrstärke verdankt. Er spielt im Geiste von Alamo. Es ist ein Gefühl, das sich dem Publikum mitteilt, welches so den Eindruck gewinnt, er sei in der Rolle des herausfordernden Underdogs, ganz gleich, auf welchem Weltranglistenplatz er gerade steht. Nach Moyás Ansicht würde man Federer nie als Gladiator sehen, weil er kein Kämpfer ist; er kämpft nicht um sein Leben wie Nadal es scheinbar ständig tut. Federers Markenzeichen ist seine tödliche Präzision.
    Dass sich Nadal als ein so unverwüstlicher Champion herauskristallisiert hat, ist aus Moyás Sicht umso mehr zu würdigen, als er auf dem Weg dorthin manche Widerstände und Ängste zu überwinden hatte. Das erklärt zum Teil seine fesselnde Ausstrahlung auf dem Platz. Mit einem kämpfenden Underdog können sich andere leichter identifizieren als mit einem scheinbar mühelos überlegenen Performer, weil er menschlicher wirkt. In einem mit Schwächen behafteten Nadal finden sich deutlich mehr Menschen wieder als im olympischen Federer. Es wären sicher weniger, wenn er mehr Ähnlichkeit mit jenem Tennischampion hätte, mit dem er mitunter verglichen wird: Björn Borg; oder wenn er sich auf dem Platz so unbändig wild benähme wie John McEnroe. Moyá sieht in Nadal eine Kreuzung dieser beiden Spieler, die als die schärfsten Rivalen der Tennisgeschichte galten, bis Nadal und Federer auftauchten. Borg war reinstes Eis, McEnroe schieres Feuer. »Das Geheimnis seiner weltweiten Beliebtheit ist, dass er sichtbar ebenso leidenschaftlich ist wie McEnroe, aber die Selbstbeherrschung Borgs, des kaltblütigen Killers, besitzt«, meint Moyá. »Beides in sich zu vereinen ist eigentlich ein Widerspruch, und das macht Rafa aus.«
     

DIE ANGST
    VOR DEM SIEG
     
     
    KAPITEL 5
    Wimbledon zu gewinnen war an sich schon eine verlockende Aussicht, aber mir war auch bewusst, dass ich mit diesem Sieg schon bald zur Nummer eins der Weltrangliste aufsteigen würde, nachdem ich zwei Jahre lang den zweiten Platz hinter Federer belegt hatte. Eine Niederlage hieße, ihm weiter auf den Fersen zu bleiben und ihn vielleicht nie zu überholen. In diesem Match lag ich jedoch in Führung, und bei meinem Aufschlag zu Beginn des vierten Satzes war ich so

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