RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
seiner üblichen unverblümten Art erklärte er mir, Puerta habe seiner Ansicht nach besser gespielt als ich, mich wesentlich mehr laufen lassen als ich ihn und ich hätte Glück gehabt, die entscheidenden Punkt zu erzielen. Heute behauptet er – obwohl ich mich wirklich nicht daran erinnern kann –, dass er, bevor er sich am nächsten Tag noch vor uns anderen auf den Heimweg gemacht habe, er mir eine handgeschriebene Liste mit allen Aspekten meines Spiels hingelegt hätte, die ich verbessern müsse, wenn ich eine Chance haben wollte, noch einmal ein so bedeutendes Turnier zu gewinnen.
Was die beiden verbleibenden Grand-Slam-Turniere jenes Jahres anging, sollte er Recht behalten. In Wimbledon schied ich in der zweiten Runde aus, bei den US Open in der dritten. Diese Niederlagen holten mich zurück auf den Boden und machten mir klar, wie viel Arbeit noch vor mir lag, wenn ich nicht nur als weiterer Name in die historische Liste der One-Grand-Slam-Wonder eingehen oder zu den spanischen Spielern gehören wollte, die sich nicht erfolgreich an andere Bodenbeläge als Sand anzupassen vermochten. Nach meinem French-Open-Sieg waren die meisten Experten der Meinung, ich könne vielleicht dieses Turnier ein weiteres Mal gewinnen, aber niemals eines der anderen drei Grand-Slam-Turniere, Wimbledon, US Open und Australian Open. Die Geschichte bestätigte bislang ihre Einschätzung. Ein spanischer Champion nach dem anderen hatte in den vergangenen zwei Jahrzehnten zwar im RolandGarrosStadion gesiegt, aber nie bei den anderen großen Turnieren. Diesen Trend hatte ich 2005 fortgesetzt und damit das Vorurteil bestätigt.
Aber ich war erst 19 und erlebte ein fantastisches Jahr, ganz gleich, was die Zukunft bringen mochte. Ich gewann ein wichtiges Turnier in Kanada, das Montreal Masters, bei dem ich André Agassi im Finale in drei Sätzen besiegte, und gewann Ende des Jahres bei dem Madrid Masters, eine echte Herausforderung auf einem schnellen Bodenbelag, der mir überhaupt nicht lag: Hartplatz in der Halle. Madrid bedeutete in dieser Hinsicht einen Wendepunkt, ein ungemein ermutigendes Zeichen, dass es durchaus in mir steckte, mein Spiel allen Gegebenheiten anzupassen. Im Finale holte ich einen Rückstand von zwei Sätzen auf und gewann gegen einen Rivalen mit starkem Aufschlag, Ivan Ljubicic aus Kroatien, dessen Spielweise so gut zur Halle passte wie meine zum Sandplatz.
Alles in allem gewann ich 2005 elf Turniere, ebenso viele wie Federer in diesem Jahr, und gelangte auf Platz zwei der Weltrangliste. Allmählich wurde ich über Spanien hinaus bekannt und schien auf dem Sprung, mein Spiel auf ein höheres Niveau zu heben. Das Jahr 2006 lag strahlend vor mir. Das dachte ich zumindest. Denn nach Madrid kam das Pech. Derselbe Fußknochen, der mich im Vorjahr gezwungen hatte, die gesamte Sandplatzsaison auszulassen, machte mir wieder zu schaffen. Aber dieses Mal war die Verletzung weitaus ernster und erwies sich als die beängstigendste Episode meiner Profikarriere.
Den ersten stechenden Schmerz verspürte ich am 17. Oktober während des Spiels gegen Ljubicic in Madrid. Damals nahm ich ihn nicht sonderlich ernst, da ich Schmerzen bei Wettkämpfen gewöhnt war, und spielte weiter. Abends wurden die Schmerzen immer stärker, was mich aber immer noch nicht beunruhigte. Ich hielt es für eine unausweichliche Folge des harten Fünf-Satz-Matchs. Das würde sich am nächsten Tag wieder legen. Am folgenden Morgen stellte ich beim Aufwachen fest, dass der Fuß stärker geschwollen war als am Abend zuvor. Ich stand auf, konnte aber den Fuß nicht mit meinem ganzen Körpergewicht belasten. Stark humpelnd sagte ich meine Teilnahme am nächsten Turnier in der Schweiz ab und flog nach Hause, um meinen Arzt, Ángel Cotorro, aufzusuchen. Er konnte nichts Ernsthaftes feststellen und vermutete, dass es lediglich eine Frage der Zeit sei, bis der Knochen völlig verheilt sein würde. Nach einigen Tagen humpelte ich nicht mehr und flog nach Shanghai, um an dem großen Masters-Turnier teilzunehmen. Aber kaum hatte ich mit dem Training begonnen, kehrten die Schmerzen so stark zurück, dass ich das Turnier aufgeben musste, noch bevor es angefangen hatte. Ich flog wieder nach Hause und ruhte mich zwei Wochen lang aus, ohne trainieren zu können. Schließlich nahm ich das Training wieder auf, aber schon am zweiten Tag meldete sich der stechende Schmerz wieder, und verzweifelt merkte ich, dass ich nicht weitermachen konnte.
Dr. Cotorro vertraue ich mein
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