RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
Leben an. Er war damals mein Arzt, ist es heute und wird es, wenn es nach mir geht, bis zu meinem Rückzug vom aktiven Sport bleiben. Aber er konnte nichts feststellen und mir nichts anderes als Ruhe verordnen. Also ruhte ich mich weitere zwei Wochen lang aus. Die Zwangspause erstreckte sich von November bis in den Dezember. Allmählich wurde ich nervös, weil der Arzt alles versuchte, aber nicht herausfand, was mir eigentlich fehlte. Der Fuß blieb geschwollen und schmerzte nicht weniger, sondern mehr. Auf Empfehlung meines Onkels Miguel Ángel wandten wir uns an einen Fußspezialisten, den er aus seiner Zeit als Profifußballer in Barcelona kannte. Der Spezialist machte einige Magnetresonanztomographien, musste aber zugeben, dass die Verletzung trotz seiner ganzen Erfahrung sein Fachwissen überstieg. Meine letzte Hoffnung war seiner Ansicht nach ein Spezialist in Madrid, der eine Doktorarbeit über eben jenen Fußknochen geschrieben hatte, der mir Probleme bereitete. Also fuhr ich mit meinem Vater, Toni, Joan Forcades und meinem früheren Physiotherapeuten Juan Antonio Martorell nach Madrid. Meine von Sorge erfüllte Welt und auch die meiner Familie drehte sich mittlerweile nur noch um meinen linken Fuß, vielmehr um den kleinen Knochen, an dem die Schwellung saß.
Mitte Dezember, zwei Monate nach meinem letzten Wettkampf, saßen wir voller Unruhe im Sprechzimmer des Madrider Arztes, der das Problem endlich ergründete. Es hätte eine Erleichterung sein können, war es aber nicht. Die Prognose war so trist, dass ich in das tiefste, schwärzeste Loch meines Lebens fiel.
Es handelte sich um eine seltene Erbkrankheit, die bei Männern noch seltener vorkommt als bei Frauen und für die dieser Arzt weltweit als Spezialist galt. Er hatte darüber seine Doktorarbeit geschrieben. Der betreffende Fußwurzelknochen, Kahnbein genannt, sitzt auf der Großzehseite im Spann des Fußes. Wenn das Kahnbein in der frühen Kindheit nicht so verknöchert oder verhärtet, wie es sollte, hat das beim Erwachsenen schmerzhafte Folgen, umso mehr wenn der Fuß wiederholten Belastungen ausgesetzt ist, wie sie bei einem Profitennisspieler unvermeidlich sind. Die Gefahr ist umso größer, je stärker der Fuß in frühen Jahren, in denen die Knochenbildung noch nicht abgeschlossen ist, ungewöhnlich intensiven Belastungen ausgesetzt ist, wie es bei mir eindeutig der Fall war. Die Folge kann eine leichte Deformation dieses Knochens sein, der größer wird, als er sein sollte, und leichter bricht, was bei mir im Vorjahr passiert war. Davon hatte ich mich zwar erholt, aber da ich von dem Grundübel nichts wusste, hatte ich dem Problem keine weitere Beachtung geschenkt, was nun zu erheblichen Komplikationen geführt hatte.
Dieses geschädigte Kahnbein, von dessen Existenz ich bis dahin nicht einmal gewusst hatte, erwies sich als meine persönliche Variante der Achillesferse: als anfälligster, potenziell destruktiver Teil meines Körpers. Nachdem der Spezialist das Problem diagnostiziert hatte, fällte er sein Urteil. Er erklärte, es sei möglich, dass ich nie wieder an Tenniswettkämpfen teilnehmen könnte. Möglicherweise müsste ich im Alter von 19 Jahren den Sport aufgeben, in den ich meine Lebensträume investiert hatte. Ich brach zusammen und weinte; wir alle weinten. Mein Vater fand seine Fassung als Erster wieder und versuchte, die Lage in den Griff zu bekommen. Während wir anderen hilflos zu Boden starrten, überlegte er sich einen Plan. Mein Vater ist ein praktisch veranlagter Mensch und besitzt die Gabe von Führungskräften, umso ruhiger und gefasster zu werden, je schwieriger die Lage wird. Sein heiteres Naturell sorgt bei ihm für eine Einstellung, die kein Problem für unüberwindlich hält. Er ist zwar kein Sportler, hat aber die Mentalität eines Siegers. Daher behaupten die anderen Familienmitglieder, als Wettkämpfer sei ich ihm sehr ähnlich. Das mag schon sein, aber an jenem Tag, als ich von meinem Gefühl her weiter denn je von einem Tennisplatz entfernt war, war bei mir keine Spur von Heiterkeit oder praktischem Denken zu spüren. Ich war am Boden zerstört. Alles, worauf ich mein Leben lang hingearbeitet hatte, stürzte vor meinen Augen zusammen.
In diese trostlose Stimmung brachte mein Vater einen winzigen Hoffnungsschimmer. Er sagte zwei Dinge: Er sei zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden würden – er erinnerte uns, dass der Arzt gesagt hatte, die Verletzung »könnte« meine Karriere gefährden –, und
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