RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)
wenn alle Stricke rissen, könne ich mich erfolgreich meiner neuen, wachsenden Leidenschaft, dem Golfspielen, widmen. »Bei deinem Talent und deinem Mumm sehe ich keinen Grund, warum du es nicht zu einem Profigolfer bringen solltest«, erklärte er.
Diese recht vage Möglichkeit sollte vorerst und hoffentlich für immer warten. Die unmittelbare Frage an den Arzt war die nach einer Lösung. Und falls es sie geben sollt, welche? Abgesehen von einer Operation mit ungewissem Ausgang gab es seiner Ansicht nach nur eine Möglichkeit. Eine recht banale, nicht eigentlich medizinische Abhilfe. Man könnte probieren, die Sohlen meiner Tennisschuhe in millimetergenauen Versuchen anzupassen und sehen, ob sich eine Form findet, die dem Knochen die nötige Polsterung verschafft, um die Belastung für das Kahnbein zu verringern. Sollte dies funktionieren, gäbe es allerdings ein weiteres Risiko, warnte er: Die subtile Verlagerung des Körpergewichts durch die veränderten Sohlen könnte sich nachteilig auf andere Körperteile wie Knie oder Rücken auswirken.
Die Stimmung meines Vaters hellte sich auf. Er erklärte, mit diesem Problem würden wir uns befassen, wenn es soweit wäre, und machte sofort einen Plan für das weitere Vorgehen. Wir sollten uns umgehend mit dem Fußspezialisten in Barcelona in Verbindung setzen, den wir bereits konsultiert hatten, und von ihm und Dr. Cotorro die neuen Sohlen entwickeln lassen. Nachdem er das gesagt hatte, verschwand mein Vater bester Laune zu einem für diesen Abend angesetzten Geschäftsessen und ließ uns in einer Mischung aus vager Hoffnung und Begräbnisstimmung zurück. Nach den Enttäuschungen der vergangenen beiden Monate, in denen die Heilung meines Knochens keinerlei Fortschritte gemacht hatte, sah ich wenig Grund zu der Annahme, dass die ins Auge gefassten Schuhsohlen eine Lösung bringen würden. Der Fuß schmerzte unvermindert, und nach meiner Einschätzung gab es allenfalls eine geringe Chance, dass der Plan funktionieren könnte. Allerdings war sie nicht groß genug, um zu verhindern, dass ich völlig niedergeschlagen nach Hause fuhr und mich auf das traurigste Weihnachtsfest meines bisherigen Lebens einstellte.
Ich hatte das Gefühl, mein Leben sei ruiniert. Rückblickend findet meine Familie, dass ich in dieser Zeit völlig verändert und nicht wiederzuerkennen war. Normalerweise war ich zu Hause gut gelaunt, lachte und scherzte viel, vor allem mit meiner Schwester. Nun war ich gereizt, abweisend und finster. Ich konnte es nicht ertragen, mit meiner Freundin María Francisca darüber zu sprechen, die über meine Veränderung zunehmend verwundert und beunruhigt war. Wir waren erst seit einigen Monaten zusammen, und nun war ich Tag und Nacht ein Häufchen Elend und wohl kaum attraktiv für eine 17Jährige, die das Leben genießen wollte. Sonst eher hyperaktiv, konnte ich nun kaum mit dem Fuß auftreten, geschweige denn Tennis spielen, lag stundenlang auf dem Sofa und starrte in die Luft oder saß im Bad oder auf der Treppe und weinte. Ich lachte nicht, ich lächelte nicht, ich wollte nicht reden. Ich verlor meine Lebensfreude.
Meine Eltern reagierten, Gott sei Dank, genau richtig. Sie machten deutlich, dass sie da waren, wenn ich sie brauchte, überschütteten mich aber nicht mit Aufmerksamkeit. Sie versuchten nicht, mich aus meiner trübseligen Stimmung zu holen, bombardierten mich nicht mit Fragen, versuchten nicht, mich zum Reden zu bringen, wenn ich nicht wollte. Sie fuhren mich mit der klaglosen Gelassenheit zum Arzt und sonst wohin, wie mein Vater es schon früher als mein unermüdlicher Chauffeur auf ganz Mallorca getan hatte. Sie waren einfühlsam, liebevoll und zeigten deutlich, dass sie zu mir halten würden, ganz gleich, ob ich je wieder Tennis spielen würde oder mit meinem Leben etwas anderes anfangen müsste.
Auch Toni trug seinen Teil dazu bei. Er rüttelte mich auf und sagte mir, ich solle mich nicht in Selbstmitleid ergehen. »Komm schon«, erklärte er, »lass uns rausgehen und trainieren.« Es klang verrückt, aber er hatte einen Plan, auch wenn er nicht unbedingt taugte, Wimbledon oder auch nur die U12Balearenmeisterschaft zu gewinnen. Auf seine Anweisung hin humpelte ich auf Krücken auf den Tennisplatz, setzte mich auf einen Stuhl (einen ganz normalen Stuhl, keine Sonderanfertigung), nahm den Schläger und drosch auf Bälle ein. Damit ich nicht aus der Übung käme, erklärte Toni. Es war vor allem eine psychologische Übung. Eine Möglichkeit, mir
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