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RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition)

Titel: RAFA: Mein Weg an die Spitze (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Carlin , Rafael Nadal
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zum Matchgewinn. Mittlerweile war es nach 21 Uhr und wurde rasch dunkel. Sollte dieses Spiel wieder mit einem Gleichstand enden, könnte der Schiedsrichter die Entscheidung durchaus auf den folgenden Tag verschieben. Eine solche Unterbrechung nach vierdreiviertel Stunden konnte nur Federer nützen. Bei der Regenunterbrechung war mir das nicht so klar geworden, aber nun stand außer Zweifel, dass er dringender als ich eine Verschnaufpause brauchte. Ich dachte: »Ich muss dieses Spiel mit allen Mitteln gewinnen.«
    Ich lief an meine Grundlinienposition, Federer ging an seine. Ich schlug von der Seite des Platzes auf, an der meine Eltern saßen, und sie standen beide auf, um mich mit erhobenem Daumen anzufeuern. Aber ich verlor den ersten Punkt durch eine unnötig lange Vorhand. Schon als ich mich auf den Schlag einstellte, war mir klar, dass ich ihn verpatzen würde, weil die Nervosität meinen Kopf vernebelte. Ich musste auf der Stelle meine Nerven in den Griff bekommen, und der richtige Weg dazu bestand darin, die Aggressivität zu erhöhen. Bevor ich Federer besiegen konnte, musste ich mit mir selbst ins Reine kommen. Zum ersten Mal im gesamten Match ging ich nach meinem Aufschlag sofort ans Netz, und es funktionierte. Mit einem kraftvollen Schlag verwandelte ich seinen Return in einen Winner. Vor diesem Aufschlag hatte ich dieses Vorgehen nicht geplant, aber die Entscheidung aus dem Bauch heraus erwies sich als richtig. Hätte ich den Ball vor meinem Schlag auf den Boden aufprallen lassen, wäre der Ballwechsel offen geblieben. So stand es 15 beide.
    Auch den nächsten Punkt holte ich am Netz, als ich den Ballwechsel problemlos mit einem kopfhohen Vorhand-Volley abschloss, nachdem ich Federer zu einer weiten, tiefen Rückhand gezwungen hatte. Wieder war ich spontan ans Netz gegangen, Resultat meiner Entschlossenheit, das Spiel zu beherrschen, statt mich davon beherrschen zu lassen. Es stand 30:15, aber noch sah ich die Ziellinie nicht vor mir. Nur der nächste Punkt existierte. Im abnehmenden Dämmerlicht war es ein kalkuliertes Risiko, ans Netz zu gehen, aber dieses Mal verrechnete ich mich. Und zwar so stark, dass ich meinen Schläger einer Vorhand von Federer entgegenreckte, die ansonsten ins Aus gegangen wäre und mir zwei Matchbälle beschert hätte. Aber ich hatte den Punkt durch mutigen Einsatz verloren, und das war besser, als ihn durch einen Doppelfehler oder einen zögerlichen Rückhand-Slice zu vergeben.
    30 beide. »Ich bin noch im Spiel«, dachte ich. Beim nächsten Ballwechsel kehrte ich wieder zu meiner Spieltaktik zurück und griff seine Rückhand an. Vielleicht lag es am Licht, an seiner Erschöpfung oder an seinen Nerven, jedenfalls verschlug er einen Cross, der ins Aus ging.
    Bei 40:30 hatte ich einen Matchball, meinen dritten in diesem Match. Ich blieb bei der sicheren, bewährten Option, einem weiten ersten Aufschlag auf seine Rückhand, den er erstaunlich brillant und mutig mit einem donnernden Cross returnierte. So sehr ich mich auch anstrengte, ich erreichte den Ball nicht. Das war Roger Federer, der größte Tennisspieler aller Zeiten. Und eben deshalb durfte ich nicht einmal jetzt auch nur einen Gedanken an den Sieg verschwenden und mir keinen Anflug von Selbstgefälligkeit gestatten. Wieder waren wir beim Einstand.
    Nun kam ich auf die – rückblickend wirklich äußerst – brillante Idee, meinen ersten Aufschlag auf seine Vorhand zu spielen, während er damit rechnen musste, dass ich in einem so entscheidenden Moment bei der Rückhandvariante bleiben würde, die ich praktisch über das gesamte Match hin bevorzugt hatte. Endlich gelang mir das, was er während des ganzen Matchs mit mir gemacht hatte: ein unreturnierbarer erster Aufschlag. Es war zwar kein richtiges Ass, da Federer den Ball mit der Schlägerkante berührte, aber eben doch so gut wie. Damit hatte ich meinen vierten Matchball.
    Beim Aufschlag zögerte ich. Ich hätte wieder in seine Rückhandecke spielen sollen, aber ich hatte noch seinen erstaunlichen Rückhandschlag bei meinem letzten Matchball im Hinterkopf und zielte deshalb auf seinen Körper. Letztlich war der Aufschlag nichts Halbes und nichts Ganzes, und er hätte ihn durchaus in einen Winner, diesmal auf die Vorhand, verwandeln oder mich zumindest stark unter Druck setzen können. Aber er tat weder das eine noch das andere, sondern returnierte ohne Biss mit einer simplen Vorhand, die ich mit weniger Selbstvertrauen erwiderte, als ich es hätte tun sollen. Er kam

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