Rage Zorn
Für einen flüchtigen Moment leuchtete ein Lächeln in seinem Gesicht auf. »Ich glaube, er sieht zu viele Krimis. Könntest du ihm einfach ausrichten, dass du mit mir geredet hast und dass es mir gut geht?«
Er las die unausgesprochene Frage in ihren Augen und ergänzte: »Natürlich habe ich schon mit ihm gesprochen. Pat auch. Aber du weiÃt, wie Kinder sind. Er wird es eher glauben, wenn er es von jemandem hört, der nicht mit ihm verwandt ist.«
»Aber gern. Sonst noch was?«
»Das ist alles.«
»Kein Problem.«
Er hatte die Krawatte gelockert und die Ãrmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Einen Arm in das offene Fenster lehnend, drehte er den Kopf zum Haus hin. Er sah lange hinüber, ehe er leise sagte: »Gut möglich, dass er sie alle umbringt, Paris.«
Sie sagte kein Wort, weil sie wusste, dass er das auch nicht erwartete. Er vertraute ihr seine schlimmsten Befürchtungen an, und sie war froh, dass er sich ihr verbunden genug fühlte, um so offen zu sein. Sie hätte sich nur gewünscht, ihn trösten zu können, ohne dass es sich banal anhörte.
»Ich weià nicht, wie ein Mann seine eigenen Kinder erschieÃen kann, aber er behauptet steif und fest, dass er das tun wird.« Er senkte den Kopf in die zusammengefalteten Hände und rieb sich mit dem Daumen über die zerfurchte Stirn. »Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, konnte ich hören, wie
eines der beiden kleinen Mädchen im Hintergrund heulte: âºBitte, Daddy! Bitte erschieà uns nicht!â¹ Wenn er sich entschlieÃt, diesen gottverdammten Abzug zu drücken, kann ich nichts sagen oder tun, um ihn davon abzubringen.«
»Wenn du nicht hier wärst, hätte er den Abzug bestimmt schon gedrückt. Du tust dein Bestes.« Dann strich sie ihm gedankenlos übers Haar.
Er hob sofort den Kopf und sah sie an, vielleicht weil er sich fragte, woher sie wusste, dass er sein Bestes tat oder dass er zumindest ein paar tröstende Worte hören musste. Vielleicht wollte er sich auch nur vergewissern, dass sie ihn tatsächlich berührt hatte.
»Wir kriegen hier so einiges mit, weiÃt du?« Ihre Stimme war so leise, dass sie praktisch flüsterte. »Von den anderen Polizisten. Sie finden dich unglaublich.«
Er fragte ebenso leise: »Und was findest du?«
»Ich finde dich auch unglaublich.«
Sie hätte ihn gern angelächelt, so wie ein Freund den anderen, aber ein Lächeln erschien ihr aus den verschiedensten Gründen unangemessen. Zum einen wegen der Situation. Zum anderen wegen der Enge in ihrer Brust, die ihr fast den Atem nahm. Aber vor allem wegen der Eindringlichkeit, mit der Dean sie ansah.
Genau wie an dem Abend, an dem sie sich erstmals begegnet waren, hielt der Blickkontakt an, bis er weit mehr war als nur ein freundschaftlicher Austausch. Nur dauerte er diesmal noch länger, und die gegenseitige Anziehungskraft war noch stärker zu spüren.
Sie hätte die Hand gern wieder gesenkt, die immer noch über ihm schwebte wie ein bloÃgestellter Sünder, der aus eigenem Antrieb gehandelt hatte. Aber die Hand zu senken hätte bedeutet, dass sie die Geste zusätzlich betonte und ihr gerade dadurch jene Bedeutung verlieh, die sich Paris keinesfalls eingestehen wollte.
Später fragte sie sich, ob sie sich wohl geküsst hätten, wenn sein Piepser nicht losgegangen wäre.
Aber er tat es und brach den Bann. Dean warf einen Blick auf
die Anzeige. »Dorrie will mit mir reden.« Ohne ein weiteres Wort sprintete er zur Einsatzleitung.
Um Mitternacht hatte er endlich die Freigabe der Kinder ausgehandelt. Dorrie fürchtete, dass ein Einsatzkommando das Haus stürmen könnte. Dean versicherte ihm, dass er das nicht zulassen würde, wenn er die Kinder freigab. Dorrie erklärte sich einverstanden, verlangte aber, dass Dean zur Veranda kommen und die Kinder eigenhändig vom Haus wegtragen sollte. Natürlich erfuhr Paris erst nach dem Ende der Krise von diesen Bedingungen.
Als sie sich gerade mit Mrs Dorries Schwester unterhielt, kam unerwartet der Kameramann angelaufen und rief ihr zu: »Jo, Paris, Malloy geht gerade zum Haus!«
Mit wild klopfendem Herzen beobachtete sie, wie Dean, mit hocherhobenen Händen, vor der Veranda stehen blieb. Niemand konnte hören, was er Dorrie durch die geschlossene Tür zurief und was jener antwortete, aber ihr kam es vor, als würde er eine
Weitere Kostenlose Bücher