Rage Zorn
Eltern einer Patientin wegen sexueller Belästigung angezeigt hatten. Da war er drei Tage lang weg, ehe man ihn fand und verhaftete.«
»Wo war er damals?«
»In einem Motel. Einem mit preisgünstigen Monatsraten. Damals hat er behauptet, er hätte sich versteckt, weil er Angst gehabt hätte, dass niemand seiner Version glauben würde.«
»Haben Sie es getan?«, fragte Dean.
»Ihm geglaubt?« Sie schüttelte beklommen den Kopf. »Es war nicht das erste Mal, dass sich eine Patientin oder eine Angestellte über anzügliche Bemerkungen oder unsittliche Berührungen beschwert hatte. In verschiedenen Praxen, zum Teil sogar in verschiedenen Städten. Die Klagen waren immer die gleichen.
Kurz vor dem letzten Vorfall hatte sich Brad ähnlich benommen wie in letzter Zeit. Nur dass mir sein Verhalten diesmal noch ausgeprägter vorkommt. Diesmal gibt er sich kaum noch Mühe, etwas zu verheimlichen. Er wirkt trotziger, und das macht ihn unachtsam. Deshalb konnte ich ihm nachfahren, ohne dass er etwas gemerkt hat.«
»Sie sind ihm nachgefahren?«
Gleichzeitig mit Deans Frage wollte Curtis wissen, wann das gewesen war.
»Irgendwann letzte Woche.« Sie massierte sich die Stirn, als wäre ihr das Geständnis peinlich. »Ich weià nicht mehr genau wann. Brad rief mich von der Praxis aus an und sagte, er würde erst sehr spät heimkommen. Er wollte mich mit irgendeinem durchsichtigen Vorwand abspeisen. Also habe ich eine Nachbarin gebeten, auf meine Kinder aufzupassen.
Ich war schon vor der Praxis, bevor er losfuhr, und konnte ihm deshalb von dort aus hinterherfahren. Erst ging er in einen Sexshop,
in dem er fast zwei Stunden blieb. Danach fuhr er an den Lake Travis.«
»Wohin genau?«
»Das weià ich nicht. Wenn ich ihm nicht hinterhergefahren wäre, hätte ich die Stelle nie im Leben gefunden. Es war Brachland. Es gab weit und breit keine Häuser oder Gewerbebauten. Deshalb war ich auch so überrascht, dass dort so viele Leute waren. GröÃtenteils Jugendliche. Teenager.«
»Was hat er dort gemacht?«
»Ewig lang hat er überhaupt nichts gemacht. Er saà einfach in seinem Auto und schaute hinaus. Rundherum wurde getrunken, gefeiert und geknutscht. SchlieÃlich stieg Brad aus und ging auf ein Mädchen zu.« Sie senkte den Kopf. »Die beiden unterhielten sich eine Weile, dann stieg sie mit ihm in den Wagen. Da bin ich weggefahren.«
»Sie haben ihn nicht zur Rede gestellt?«
»Nein.« Sie lächelte betreten. »Ich fühlte mich wahrscheinlich viel schmutziger als er. Ich wollte nur noch weg von dort, ich wollte nach Hause und eine heiÃe Dusche nehmen. Was ich auch getan habe.«
Die Sache war ihr so unangenehm, dass Dean und Curtis ein paar Sekunden verlegen schwiegen. SchlieÃlich sagte Curtis: »Könnten Sie die junge Frau identifizieren, die Sie mit ihm zusammen gesehen haben?«
Sie dachte kurz darüber nach und schüttelte dann den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich konnte nur daran denken, dass sie wahrscheinlich noch in die Schule geht. AuÃerdem war es dunkel, und ich bekam ihr Gesicht nicht zu sehen.«
»Blond oder dunkelhaarig? Groà oder eher zierlich?«
»Blond, würde ich sagen. GröÃer als ich, aber kleiner als Brad. Er ist einen Meter fünfundsiebzig groÃ.«
»Könnte dies das Mädchen gewesen sein?« Curtis fasste nach dem Bild von Janey Kemp, das in der Zeitung abgedruckt worden war, und reichte es ihr.
Sie betrachtete es und sah ihnen dann nacheinander ins Gesicht.
»Jetzt begreife ich, weshalb Sie mich sprechen wollten.« In ihren Augen stand offene Angst. »Ich habe von diesem Mädchen gelesen. Die Tochter eines Richters, die vermisst wird. Habe ich Recht? Ihretwegen bin ich hier.«
Statt ihr zu antworten, sagte Curtis: »Haben Sie Ihrem Mann je erzählt, was Sie beobachtet haben? Dass Sie ihn in flagranti erwischt haben?«
»Nein. Als er an jenem Abend heimkam, stellte ich mich schlafend. Am nächsten Morgen war er fröhlich und ungeheuer liebevoll. Er neckte die Kinder und schmiedete mit ihnen Pläne fürs Wochenende. Der perfekte Daddy und Ehemann.«
Einen Moment lang wirkte sie fast versonnen. Dean spürte, dass Curtis sie mit einer weiteren Frage aus ihren Gedanken reiÃen wollte, und hielt ihn mit einer dezenten Handbewegung zurück.
SchlieÃlich hob Toni Armstrong den Kopf und
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