Rage Zorn
haben wir uns eben erst kennen gelernt.«
»Ach, stimmt.« Während er über diesem Dilemma brütete, nagte er an seiner Unterlippe, eine niedliche und sympathische Geste, was ihm mit Sicherheit bewusst war. Dann strahlte er auf. »Abendessen?«
Sie war an jenem Abend nicht mit ihm essen gegangen. Genauso wenig wie bei den nächsten drei Malen, als er sie fragte. In den folgenden Wochen hatte sie sich den Hintern wund geschuftet und so viele Storys abgearbeitet, wie ihr der leitende Redakteur nur zukommen lieÃ. Sie kämpfte um jede Sekunde Sendezeit, weil sie wusste, dass ihr Gesicht so oft wie möglich auf dem Bildschirm erscheinen musste, wenn sich das Publikum an ihren Namen, ihre Stimme und ihr Gesicht gewöhnen sollte.
Sie hatte es auf die Position der Abendnachrichtensprecherin abgesehen. Vielleicht würde sie ein oder zwei Jahre brauchen, bis sie es dorthin schaffte. Sie hatte noch viel zu lernen und noch mehr zu beweisen, aber sie sah nicht ein, warum sie nicht gleich die Spitze anvisieren sollte. Infolgedessen war sie viel zu sehr damit beschäftigt, sich auf dem TV-Markt in Houston zu etablieren, als dass sie sich für Männer interessiert hätte.
AuÃerdem war Jack Donner eindeutig zu überzeugt, dass sie irgendwann seinem Charme erliegen würde. Er war ein Bild von einem Amerikaner. Sein Wesen war einnehmend, sein Humor ansteckend. Jede Frau im Gebäude, von den Praktikantinnen bis zu der GroÃmutter aus der Buchhaltung, war in ihn verknallt. Ãberraschenderweise mochten ihn sogar die Männer. Er führte inzwischen seit mehreren Jahren die Verkaufslisten an, und es war kein Geheimnis, dass er fürs Management ausersehen war.
»Fürs Spitzenmanagement«, vertraute er ihr an. »Ich will
irgendwann Leiter unseres Senders werden und später, wer wei� Vielleicht besitze ich eines Tages meinen eigenen Sender.«
Er hatte jedenfalls genug Ehrgeiz und Charisma, um alles zu erreichen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, und als kurzfristiges Ziel hatte er sich in den Kopf gesetzt, sie zum Essen auszuführen. SchlieÃlich hatte er sie kleingekriegt, und sie willigte ein.
Bei ihrem ersten Date führte er sie in ein chinesisches Restaurant aus. Das Essen war grausig, der Service noch schlimmer, aber er hielt sie bis zum Nachtisch bei Laune, indem er für jeden aus dem miesepetrigen Personal eine Lebensgeschichte erfand. Je mehr Reiswein er trank, desto gewagter wurden seine Geschichten.
Als er seinen Glückskeks aufbrach, pfiff er leise durch die Zähne. »Hör dir das an.« Er tat so, als würde er den Text ablesen. »Herzlichen Glückwunsch. Nachdem Sie monatelang versucht haben, eine gewisse Lady zu verführen, wird Ihr Vorhaben heute endlich von Erfolg gekrönt.«
Paris brach ihren Keks entzwei und zog den kleinen Zettel heraus. »Auf meinem steht: âºMisstrauen Sie allen VerheiÃungen von Glückskeksen.â¹Â«
»HeiÃt das, dass du nicht mit mir schläfst?«
Seine tief enttäuschte Miene brachte sie zum Lachen. »Nein, Jack, ich werde nicht mit dir schlafen.«
»Ganz bestimmt nicht?«
»Ganz bestimmt nicht.«
Aber nachdem er vier Monate lang mit ihr ausgegangen war, tat sie es doch. Nach sechs Monaten wurden sie im Sender allgemein als Paar betrachtet. An Weihnachten hatte Jack dann um ihre Hand angehalten, und am Neujahrstag hatte sie ihn erhört.
Im Februar schneite es. Houston, wo Schnee so selten zu sehen war wie der Hale-Bopp-Komet, kam vollkommen zum Erliegen, was wiederum hieÃ, dass jeder in der Nachrichtenredaktion Ãberstunden schob, um die zahllosen wetterbezogenen Storys von geschlossenen Schulen über überfüllte Obdachlosenasyle bis
zu den zahllosen Gefahren überfrorener Highways abzuarbeiten. Paris arbeitete sechzehn Stunden durch, während der sie wechselweise durch den Schnee stapfte, in einem zugigen Sendewagen herumfuhr, lauwarmen Kaffee trank und ihre Termine einzuhalten versuchte.
Als sie endlich nach Hause kam, stand Jack in ihrer Küche und rührte in einem Topf mit selbst gemachter Suppe. »Wenn ich dich bis jetzt nicht geliebt hätte«, sagte sie, wobei sie den Deckel vom Topf hob und den Duft tief einatmete, »dann wäre es spätestens jetzt so weit.«
»Wenn du mit mir zusammenziehen würdest, würde ich jeden Abend für dich kochen.«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Das haben
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