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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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hatte etwas nachgelassen. Kein anderes Fahrzeug weit und breit, deswegen gab Hanna Gas. Gregs Kuss machte ihr mehr zu schaffen, als sie vermutet hatte. Und der Regen, das nervtötende Auf und Ab der Scheibenwischer, trugen nicht unbedingt dazu bei, dass sich ihre Laune hob.
    Als urplötzlich ein Reh zu ihrer Rechten aus dem Gebüsch auftauchte und über die Straße sprang, trat Hanna hart auf die Bremse. Der Chevy geriet auf der regennassen Fahrbahn ins Schlingern und sie versuchte gegenzulenken. Doch das rechte Vorderrad geriet auf das Bankett, der Wagen rutschte über den Straßenrand und schrammte über etwas Hartes, bevor er in einer morastigen Senke zum Stehen kam.
    Hanna saß einen Augenblick wie gelähmt, dann stellte sie die Scheibenwischer ab. »Verdammter Mist«, fluchte sie und schlug mit den Händen gegen das Lenkrad. Sie stieg aus und stellte fest, dass nur das rechte Vorderrad tief im Schlamm stand. Sie sprang wieder in den Wagen und schaltete den Rückwärtsgang ein. Ganz vorsichtig trat sie aufs Gaspedal.
    Es knatterte fürchterlich, doch nichts passierte. Die Wiese war vom Regen aufgeweicht, die Räder drehten durch und der Wagen rührte sich nicht von der Stelle. Wütend trat sie das Gaspedal durch. Ein schwarzer Schlammregen prasselte auf die Frontscheibe und verdunkelte das Innere des Wagens.
    Vancouver Island konnte sie fürs Erste vergessen.
    Das kann alles nicht wahr sein, dachte Hanna frustriert. Dieses Reservat will mich nicht loslassen.
    Auf einmal hatte sie das Gefühl, im dunklen Auto wie in einer Falle zu sitzen und nicht mehr atmen zu können. Sie stieg aus. Ohne den mit einer schwarzen Schlammschicht überzogenen Chevy noch eines Blickes zu würdigen, drückte sie auf die automatische Türverriegelung, lief über die Straße und auf der anderen Seite ein paar Meter in den Wald hinein.
    Ungeachtet der Nässe setzte sie sich auf einen gefallenen Stamm und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Von den Blättern eines Beerenstrauches tropften lange Regenfäden in ihren Nacken. Ein Rabe, der am anderen Ende des Stammes hockte, krächzte erschrocken und breitete seine schwarzen Flügel aus. Aber er flog nicht davon. Neugierig reckte er den Hals, legte den Kopf schief und fixierte Hanna mit seinen schwarzen Knopfaugen, als ob er sich fragte, was sie hier zu suchen hätte.
    Da konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Heftige Schluchzer schüttelten ihren Körper und sie weinte bitterlich. Hanna fühlte sich schrecklich verloren und zweifelte daran, dass es richtig gewesen war, nach Neah Bay zurückzukommen, um nach Jim zu suchen. Von Anfang an war alles schiefgelaufen, dieses Land hatte sich gegen sie verschworen und sie wurde den Gedanken nicht los, dass ihre Bemühungen, egal, wie sie aussahen, vergeblich sein würden. Hier in Neah Bay würde sie keine Antworten auf ihre Fragen finden.
    Sie hob den Kopf. Über ihr verschmolzen die Wipfel der Bäume und grün gewaschenes Licht drang in Strahlen durch die Zweige. Die Stille wurde zu einem monotonen Flüstern, das vom geheimnisvollen Wesen dieses Ortes erzählte. Und mit einem Mal überkam sie eine Ruhe, die aus diesem Land zu kommen schien. Hanna empfand diese Stille nun nicht mehr als unheimlich oder abweisend, sondern wie einen seltsamen Trost. Sie wischte sich die Nässe aus dem Gesicht. In der Umhüllung des regennassen Waldes fühlte sie sich geborgen und nicht mehr allein.
    »Krch …«, fauchte der Rabe, als sich ein Mann dem Baumstamm näherte. Der Vogel trat aufgeregt von einem Bein auf das andere.
    Hanna starrte Greg an, als wäre er ein Geist.
    »Hey«, sagte er versöhnlich zu dem aufgeregten Tier, »denkst du nicht, dass ich mehr Erfahrung mit Menschenfrauen habe als du?«
    Hanna hatte so ihre Zweifel, was das betraf, dennoch war sie froh, Greg zu sehen. Sie schniefte und wischte sich mit dem Jackenärmel über die Nase. Jetzt erst spürte sie die Nässe auf ihrer Jeans, von unten und von oben. Wasser sammelte sich auf den Blättern und rann in langen Tropfen herunter. Der morsche Stamm, auf dem sie saß, war nass wie ein Schwamm. Trotzdem rührte sie sich nicht von der Stelle.
    Greg streckte die Hand nach dem Raben aus und der Vogel zwickte ihn in den Finger. Schließlich hüpfte der Rabe auf die hingehaltene Handkante, stieß ein raues Krächzen aus und flog auf Gregs Schulter. Dort blieb er sitzen.
    Ungläubig starrte Hanna auf den Mann mit dem Raben auf der Schulter. Gregs Haar und das Gefieder des Vogels schienen von

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