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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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derselben Beschaffenheit zu sein. Die dicken Wassertropfen perlten davon ab wie Kugeln aus Quecksilber. Und im selben Augenblick begriff Hanna, dass sie sich fügen musste, wenn sie Jim finden wollte. Erst, wenn sie seine Welt besser verstand, würde sie wissen, wo sie ihn suchen musste. Dieses Land hatte seinen eigenen Rhythmus. Versuchte man, sich dem zu widersetzen, geriet alles durcheinander.
    »Dein Auto muss dringend in die Waschanlage«, sagte Greg. »Und ich habe einen Mordshunger.«
    Als er Hanna eine Hand reichte, flog der Rabe mit einem Krächzen davon. Sie sah den Flug des schwarzen Vogels in den Pupillen des Mannes.
    »Na, was ist? Gehen wir?«
    Hanna griff nach seiner Hand.
    Mit seinem Truck zog Greg Hannas Wagen aus dem Schlamm und dabei stellte sich heraus, dass ein aus der Böschung ragender Stein den Auspuff arg in Mitleidenschaft gezogen hatte. Der Chevy fuhr noch, allerdings mit einem satten Ferrarisound.
    Langsam fuhr Hanna vor Gregs Pick-up her in den Ort. Der defekte Auspuff machte einen Höllenlärm, und obwohl sie durch die verschmierten Scheiben des Chevys kaum etwas sehen konnte, entgingen Hanna die amüsierten Gesichter der Einheimischen nicht, an denen sie vorbeifuhr.
    In der Waschanlage vor dem Hafen befreite Greg den Leihwagen von seiner schwarzen Schicht und danach fuhren sie in die Werkstatt. Henry Haijut, Automechaniker und Werkstattbesitzer, kratzte sich mit ölverschmierten Fingern am Kopf, nachdem er den Schaden begutachtet hatte.
    »Der Auspuff ist im Eimer«, nuschelte er und Hanna bemerkte, dass ihm die Schneidezähne fehlten. »Ich hab so einen nicht da, aber ich kann ihn bestellen.«
    »Wie lange wird das dauern?«, fragte Hanna. »Ich meine, bis der Auspuff da ist.«
    Henry zuckte mit den Achseln. »Einen Tag, vielleicht zwei.«
    Hanna seufzte. Ein Tag oder zwei, darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. »Bestellen sie ihn«, sagte sie. Sie holte ihre Tasche aus dem Wagen und übergab Henry den Autoschlüssel.
    Greg führt sie in Rosies Café, so, wie er es von Anfang an vorgehabt hatte.
    Die Einrichtung des Cafés war zweckmäßig – Tische mit Kunststoffoberfläche und Leichtmetallstühle, deren Sitzfläche und Lehne gepolstert und mit rotem Kunstleder überzogen waren. In den Fenstern standen Töpfe mit echten Grünpflanzen, die einen ausgesprochen gesunden Eindruck machten. Und die Wände zierten Bilder, deren Künstler etwas von seinem Handwerk verstand. So wie Rosie etwas von ihrem Handwerk zu verstehen schien, denn fast alle Plätze im Café waren besetzt.
    Sie setzten sich an einen Zweiertisch am Fenster, von wo sie einen Blick auf die Seestraße von San Juan de Fuca hatten. Auf der anderen Seite, in Regenschwaden gehüllt, erhoben sich die bewaldeten Hügel von Vancouver Island.
    »Sie wird dir nicht davonlaufen, die Insel«, sagte Greg, der ihren Blick bemerkt hatte.
    Eine beleibte Frau mit glanzlosen dunkelblonden Haaren, die von einem schwarzen Samtband streng aus dem Gesicht gehalten wurden, brachte ihnen Tassen und schenkte Kaffee ein. Sie lächelte breit: »Hi, Greg, wie geht’s denn so?«
    »Kann nicht klagen, Rosie«, sagte Greg und lächelte zurück.
    Rosie McCarty wusste ganz sicher, was oben am Kap passiert war, Hanna sah es an ihrem Blick. Vermutlich wusste es jeder hier im Ort und bald würde auch jeder über ihr verschlammtes Auto Bescheid wissen. Das Geknatter war schließlich nicht zu überhören gewesen.
    »Was kann ich euch bringen?«, fragte sie, mit einem so hintergründigen Lächeln, als hätte sie wissen wollen, wie die vergangene Nacht war.
    »Ich nehme Rührei mit Schinken und Toast«, sagte Greg.
    »Ich dasselbe«, beeilte sich Hanna zu sagen. Ihr Magen knurrte, aber sie war zu aufgewühlt, um die Karte zu studieren.
    Rosie kritzelte etwas auf ihren Block und verschwand, dieses zufriedene Lächeln immer noch im Gesicht. Der morgendliche Regen hatte dem Café zusätzlich zu den einheimischen Stammgästen noch ein paar klamme Camper vom Zeltplatz beschert und Rosie huschte mit erstaunlicher Wendigkeit durch die Tischreihen, um weitere Bestellungen aufzunehmen.
    Als Hanna die Toilette aufsuchte, blieb sie vor einem der gerahmten Bilder stehen und betrachtete es genauer. Es war ein Siebdruck, die plakative Darstellung des grauen Ozeans zwischen zwei schwarzen Felsenufern, die vermutlich das Kap und Tatoosh Island zeigten. Der Himmel änderte seine Färbung von Dunkelrot in Nachtblau. Die verschiedenen Farbbänder waren durch klare dunkle Linien

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