Rain Song
lautes Klappern, das von draußen kam, schreckte sie aus ihren Gedanken. War da jemand auf der Veranda? Sie lauschte, aber der Sturm presste sich mittlerweile so gewaltsam gegen die alte Hütte, dass er alle anderen Geräusche übertönte. Wäre nicht Ebbe, das Meer hätte das Haus mit Haut und Haar verschlungen, so jedenfalls kam es Hanna vor.
Grace Allabushs Warnung vor Tsonoqa kam ihr in den Sinn, aber sie schob den Gedanken energisch beiseite. Sie würde sich etwas zu essen machen und abwarten, dass der Sturm nachließ.
Als sie am Kühlschrank stand, hörte sie wieder dieses Geräusch von draußen, aber Hanna versuchte, es zu ignorieren. Wahrscheinlich war es ein loses Brett, das im Wind gegen die Hauswand schlug.
Verdammt! Das Klappern machte sie wahnsinnig!
Sie drückte mit der Schulter gegen die Holztür, die von der Feuchtigkeit klemmte, und trat auf die Veranda.
Diesmal vernahm Hanna das warnende Knarren des Holzes rechtzeitig. Sie machte einen großen Schritt zur Seite, bekam einen harten Schlag auf die Schulter und sackte seufzend gegen die Hauswand.
Greg hatte gerade den Campingplatz passiert, als er den Truck kurzentschlossen an den Straßenrand lenkte. Dabei würgte er den Motor ab. Er nahm seine Hände vom Lenkrad. Sie zitterten, aber sein Groll war längst verflogen. Ihm war klar, dass er geduldiger sein musste, wenn er Hanna verstehen wollte. Und das wollte er. Aber zum Teufel mit der Geduld!
Ich will sie haben und nicht mit ihr kämpfen.
Als er sich das endlich eingestand, fühlte er sich auf merkwürdige Weise erleichtert. Er würde noch einmal mit seinem Vater reden müssen, aber das hatte Zeit. Zuerst einmal musste er Hanna dazu bringen, dass sie ihm die Tür öffnete. Irgendetwas war vorgefallen, etwas, das sie sehr verletzt hatte. Und er würde herausfinden, was es war.
Entschlossen wendete er seinen Wagen und gab Gas.
Diesmal war die Tür des Strandhauses nur angelehnt. Greg fand Hanna in der Küche, wie sie sich ihre linke Schulter mit einem Lappen und kaltem Wasser kühlte. Sie brauchte ihm nicht erklären, was vorgefallen war, er hatte das herabgestürzte Brett auf der Veranda liegen sehen.
Kaum auszudenken, wenn es auf ihrem Kopf statt auf ihrer Schulter gelandet wäre.
Er hob den nassen Lappen von Hannas sommersprossiger Schulter und ein unterdrückter Schmerzenslaut kam aus ihrer Kehle.
»Na komm«, sagte er sanft, »ich bringe dich in die Klinik. Das sollte geröntgt werden.«
»Nicht nötig«, sagte sie. »Es ist nichts gebrochen.«
Greg betrachtete Hannas störrisches Gesicht mit den Spuren von getrockneten Tränen und konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken.
Er kniete vor ihr nieder und schob ihr Kinn nach oben. »Vielleicht machst du einfach mal, was ich dir sage. Ich würde mich nämlich viel besser fühlen, wenn ich genau wüsste, dass nichts gebrochen ist.«
Der alte Ahousat saß in seinem Haus am Sooes Beach und vergrub sein Gesicht in den Händen. Draußen tobte ein fürchterlicher Sturm – genauso wie in seinem Inneren. Es war schon spät, aber Greg war nicht nach Hause gekommen. Er spürte, dass er dabei war, seinen Sohn zu verlieren – und er konnte nichts dagegen tun. Genausowenig wie damals, als er Jim verloren hatte. Verhext von einer Babathlid mit roten Haaren.
Ich darf das nicht zulassen.
Greg war alles, was ihm noch geblieben war. Sein einziger Nachkomme, Erbe seiner Schnitzkunst und seiner Privilegien. Auch wenn Greg nicht so ehrgeizig war wie Jim, so war sein Können in den vergangenen Jahren doch zufriedenstellend gereift. Aus ihm war ein passabler Holzschnitzer geworden. Was ihm fehlte, war eine Vision, aber die würde schon kommen, wenn er sich nicht mehr dagegen sperrte.
Matthew erhob sich aus dem Sessel und ging zum Fenster. Der Sturm begann, nach Osten abzuziehen, der Ozean gebärdete sich nicht mehr ganz so wild. Der alte Mann ging in die Diele und zog Gummistiefel und Regenjacke an. Dann machte er sich auf die Suche nach dem einzigen Menschen, dem er vertrauen und dem er von seinen Befürchtungen erzählen konnte.
15. Kapitel
Wie ein Trommelfeuer prasselte der Regen auf das Blech des Autodachs. Die Scheibenwischer seines Jeeps kämpften gegen die strömenden Wassermassen, die Bill gnadenlos die Sicht versperrten. Der Sheriff hatte den alten Cutler auf seiner Farm wohlbehalten vorgefunden und war nun auf dem Weg zurück nach Neah Bay. Gerade wollte er auf die Hoko-Ozette Road biegen, als er vor sich etwas blinken sah. Er trat
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