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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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»Morgen Vormittag kann sie den Wagen abholen.«
    »War Miss Schill hier?«, fragte Greg.
    Henry schüttelte den Kopf.
    Greg fuhr zurück zum Supermarkt und hielt Ausschau nach Hanna. Er kaufte ein paar Lebensmittel für den Abend: Eissalat, Kartoffeln, Eier, Speck und für teures Geld ein halbes Kilo Kirschen. Danach fuhr er zurück zur Werkstatt.
    Unterwegs kam ihm Hanna entgegen. Er hielt an und sie stieg ein. Sie sagte nichts, stierte nur geradeaus durch die Windschutzscheibe. Ihr Gesicht war weißer als sonst, es wirkte wie eine starre Maske, wie die Maske aus dem Burke Museum.
    »Was ist denn los?«, fragte er besorgt. »Wo warst du? Ich habe überall nach dir gesucht.«
    Sie gab keine Antwort. »Fahr mich nach Hause, okay?«, sagte sie stattdessen.
    Schweigend lenkte Greg seinen Wagen auf die Hauptstraße und fragte sich, was zum Teufel in der Zwischenzeit mit Hanna passiert war.
    In der Ferne grollte Donner und ein kräftiger Wind wehte vom Pazifik her über die Landspitze. Im Radio hatten sie eine Sturmwarnung für den späten Nachmittag durchgegeben.
    Bill Lighthouse fuhr auf der Küstenstraße 112 von Neah Bay in Richtung Sekiu, die sich zwischen Wasser und Felsen entlangschlängelte. Der Sheriff war auf seiner Patrouille durch das Reservat und auf dem Weg zur Rangerstation am Lake Ozette. Der See gehörte zwar nicht zum Reservat der Makah, wohl aber zu seinem Einsatzbereich.
    Ein paar Meilen vor Sekiu bog Bill nach links auf die Hoko-Ozette Road ab, eine schmale, zwanzig Meilen lange Straße entlang des Hoko River, die einzige Verbindung zum See und zur Rangerstation, wo sein Freund Dan mit einem Kaffee auf ihn wartete.
    Zu Anfang führte die Straße durch ein Tal, mit bewaldeten Bergen zur Linken und zur Rechten. Vom Urwald war hier nichts mehr übrig. Das war die zweite oder dritte Aufforstung. Teile des Waldes waren abgeholzt und auf den kahlen Flächen wuchsen die purpurnen Blütenrispen des Feuerkrauts wie Flammen in den Himmel.
    Als Bill das offene Big River Valley erreichte, hatte er Mühe, den Jeep auf der Straße zu halten, so heftig wehte ihm der Wind in die Seite. Er fuhr bis zum Lake Ozette und bog nach rechts ab. Nach einer Meile tauchte vor ihm ein großes Blockhaus auf, die Ozette-Rangerstation.
    Bill parkte und stieg aus. Über ihm tosten die Wipfel der Bäume wie Ozeanwogen. Er zog seine Jacke über der Brust zusammen, stemmte sich gegen den Wind und betrat das stabile Blockhaus mit dem Schindeldach. In dem kleinen, gemütlichen Büro duftete es nach Kaffee und aus dem Radio dudelte Klaviermusik. Daniel Hadlock saß hinter seinem riesigen Schreibtisch und sah von seiner Zeitung auf, als der Sheriff eintrat.
    »Da braut sich ganz schön was zusammen«, sagte Bill und schüttelte sich.
    »Nicht mehr als gewöhnlich«, erwiderte der Ranger mit einem Schmunzeln im Gesicht.
    »Ist trotzdem immer wieder ein seltsames Gefühl.« Bill nahm einen der umgestülpten Porzellanbecher und bediente sich an der Kaffeemaschine.
    Hadlock schüttelte grinsend den kurz geschorenen Kopf. »Weil ihr Indianer immer noch an Geister glaubt. Deshalb bekommt ihr alle so einen ehrfürchtigen Ausdruck im Gesicht, wenn das Meer tobt und die Bäume im Wind knarzen.« Seine grauen Augen funkelten belustigt.
    Der Sheriff lächelte. Bill mochte Dan, seit der Ranger vor einem Jahr diesen Job am Ozette Lake angetreten hatte. Hadlock war ein fröhlicher, sportlicher junger Mann, der aus innerer Überzeugung Ranger geworden war. Wenn sie zusammensaßen, dann unterhielten sie sich über Tiere und Bäume, über das Meer – und manchmal auch über Frauen.
    »Glaubst du etwa nicht an Geister?« Bill machte eine gespielt finstere Miene. »Ich meine, du solltest wenigstens nicht über sie reden, das könnten sie dir ernsthaft übel nehmen.«
    Dan lachte laut und im selben Augenblick fiel der Strom aus. Die Klaviermusik erstarb, schlagartig versank der Raum in ein gespenstisches Halbdunkel. Keiner von beiden sagte etwas. Nur das Heulen des Sturms und das Ächzen der Holzbalken waren zu hören.
    »Da hast du’s«, brummte Bill schließlich. »Die Geister sind sauer. Warum konntest du nicht deinen Mund halten?«
    »Hör auf damit, okay? Das ist echt unheimlich.« Daniel kam hinter seinem Schreibtisch hervor und nahm seine Regenjacke von der Wand. »Wahrscheinlich ist irgendwo ein Baum auf die Leitung gekippt. Ich sehe mal nach, ob ich die Stelle finden kann.«
    Ein Blitz erhellte den Raum und die Gesichter der beiden Männer. Bill,

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