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Rain Song

Rain Song

Titel: Rain Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Sessel hinüber, in den sie sich vorsichtig niederließ. Greg sah ihr an, dass sie noch Schmerzen in der Schulter hatte, aber das Röntgenbild hatte keine Knochenfraktur gezeigt und er hatte ihr einen feuchten Umschlag aus geklopftem Rindenbast gemacht, der schnell helfen würde.
    Nach dem Röntgen war Greg mit Hanna noch aufs Polizeirevier gefahren, denn er hatte sie davon überzeugen können, Anzeige zu erstatten. Aber weder Bill Lighthouse noch Chief Hunter waren dort gewesen, also musste das bis zum nächsten Morgen warten.
    Hanna sah ihn dankbar an, als er ihr Tee in einen Becher goss. »Wieso bist du zurückgekommen, Greg?«, fragte sie leise.
    »Ich weiß nicht … als ob ich was geahnt hätte.« Er setzte sich zu ihr. »Ich musste einfach wissen, was mit dir los war.«
    Auf der Fahrt in die Klinik hatte Hanna ihm erzählt, dass sie noch einmal bei Gertrude Allabush gewesen war und sie über Jim ausgefragt hatte. Von Gertrude hatte Hanna erfahren, dass Jim dieses Haus und das Land, worauf es stand, hatte kaufen wollen. Greg war allerdings immer noch nicht klar, was sie an dieser Tatsache so verstört hatte, denn das entsprach ja ihren Plänen mit Jim.
    »Ich verstehe, dass dich das alles aus der Fassung gebracht hat«, sagte er. »Aber warum konntest du mir das nicht erzählen? Warum hast du mich ausgeschlossen?«
    Rote Flecken überzogen Hannas Gesicht. »Das ist nicht so leicht …« Sie senkte den Blick in ihren Teebecher.
    »Was, Hanna?«
    »Gertrude gab mir zu verstehen, dass … sie sagte, wenn euer Stamm sich mit den Weißen vermischt, habt ihr keine Chance, als Volk zu überleben.«
    Greg schluckte hart. »Das hat Gertrude gesagt?« Er dachte an das Gespräch mit seinem Vater und dass sich Hanna womöglich genau denselben Unsinn hatte anhören müssen.
    »So in der Art, ja.«
    »Und deshalb warst du wütend auf mich?«
    »Ich … ich war nicht wütend auf dich.« Hanna seufzte. »Nur … ach, ich weiß auch nicht, aber mir ist einfach klar geworden, dass Ola in Neah Bay nie als eine von euch akzeptiert werden wird.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Ich möchte mehr Kinder haben, Greg, ich …«
    Auf einmal wurde ihm klar, was sie meinte, und ein Gefühl der Erleichterung überschwemmte ihn.
    »Das stimmt nicht«, sagte er. »Wenn du nachweisen kannst, dass Ola Jims Tochter ist, dann hat sie alle Rechte hier im Reservat.«
    Traurig schüttelte Hanna den Kopf. »Aber ich kann es nicht nachweisen, weil er nicht mehr da ist.« Sie trank ein paar Schlucke von ihrem Tee. »Und außerdem wäre es bloß eine Anerkennung auf dem Papier und nicht in den Herzen der Menschen.«
    »Manche Dinge brauchen einfach Zeit«, versuchte er, sie zu beschwichtigen.
    »Wieso, Greg, ist es so kompliziert?«
    Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es ist so kompliziert, weil wir Fehler machen. Wir und all die anderen vor uns.«
    Hanna sah ihn immer noch an, aber ihr Blick war abwesend. Er wusste nicht, was sich gerade in ihrem Kopf abspielte, ahnte jedoch, dass sie Angst hatte. Er wollte ihr helfen, aber auch er hatte Angst. Seine Angst saß tiefer als ihre, weil seine Fantasie mit grausamen Geschichten aus der Vergangenheit gefüttert war, von denen Hanna kaum eine Ahnung hatte. Er hatte längst herausgefunden, das Anaqoo der Name einer kleinen Insel vor der Westküste von Vancouver Island war, aber noch konnte er das Hanna nicht sagen. Erst musste er herausfinden, was hier eigentlich los war. Er wollte versuchen zu retten, was zu retten war, für sich – und auch für Hanna.
    »Ich bin jedenfalls sehr froh, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist.« Er stand auf und begann, die Reste des Abendessens vom Tisch zu räumen.
    »Vielleicht war es wirklich ein Unfall«, erwiderte Hanna. »Das Brett hat sich im Sturm gelöst.«
    »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.« Seit seinem Gespräch mit dem Sheriff glaubte Greg nicht mehr an Zufälle, er wollte Hanna jedoch nicht unnötig beunruhigen.
    Er verstaute die restlichen Lebensmittel im Kühlschrank und spülte die Teller ab.
    Hanna konnte nicht mehr sitzen. Sie ging in die Schlafkammer, legte sich auf ihr Bett und versuchte, eine Stellung zu finden, in der ihre Schulter am wenigsten schmerzte.
    Greg stand in der Türöffnung. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Hanna nickte. »Geh nicht weg!«, bat sie ihn.
    Greg setzte sich zu ihr und zog die Decke über ihre Schultern. »Schlaf ein bisschen«, sagte er. »Ich bleibe bei dir.«
    Es dauerte nicht

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