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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war und mit gespanntem Blick nach exotischen Gütern Ausschau gehalten hatte. Als handle es sich um ein Wettrennen um die begehrtesten Waren, stürmte er von einem Marktstand zum nächsten. Er ließ nicht zu, dass sein schlechtes Chalcedanisch die Geschäfte behinderte. Wenn ein Verkäufer den Kopf schüttelte oder die Schultern zuckte, sprach er einfach lauter und gestikulierte noch lebhafter, bis er sich verständlich machen konnte. Den Ballen blauer Seide hatte er für eine unbedeutende Summe erstanden. Dann war er sogleich weitergehastet. Sedric hatte den Kauf vollends abwickeln und ihm mit der azurblauen Rolle über der Schulter hinterhereilen müssen. Später waren sie zu einem Schneider in der Nähe ihrer Herberge gegangen, und Hest hatte für jeden von ihnen drei Hemden aus der Seide in Auftrag gegeben. Schon am nächsten Morgen lagen die fertigen Hemden zur Abholung bereit. »Chalced muss man einfach lieben!«, hatte Hest ausgerufen, als er sie mit Sedric abgeholt hatte. »In Bingtown hätte ich das Dreifache gezahlt und hätte eine Woche auf sie warten müssen.« Und die Hemden hatten tadellos gepasst.
    Und nun, zwei Jahre später war das letzte seiner drei Hemden ruiniert, weil Hest mit der heißen Asche nicht aufgepasst hatte. Das letzte Erinnerungsstück an ihre erste gemeinsame Reise war dahin. Das war typisch Hest. Immer impulsiv, niemals achtsam. Die drei Hemden von Sedric waren noch immer heil, aber er glaubte nicht, dass er sie noch einmal anziehen würde. Mit einem leisen Seufzen faltete Sedric das Hemd ein letztes Mal zusammen und legte es auf den Stapel ausrangierter Kleider.
    »Wenn du etwas zu sagen hast, dann sprich. Anstatt hier herumzustöhnen und zu seufzen wie eine liebeskranke Zofe in einem miesen jamaillianischen Theaterstück.« Was Hest auch immer berechnet hatte, das Ergebnis war wohl nicht gut, denn Hest wischte die Blätter auf dem Tisch zur Seite, sodass einige zu Boden segelten. »Du erinnerst mich schon an Alise mit ihrem vorwurfsvollen Blick und ihren unterdrückten Seufzern. Dieses Weib ist nicht auszuhalten. Ich habe ihr alles gegeben, alles! Doch sie macht nichts anderes als Trübsal zu blasen oder aus heiterem Himmel zu verkünden, dass sie noch mehr will.«
    »Sie bläst nur Trübsal, wenn du sie schlecht behandelst.« Noch ehe er wusste, was er sagen wollte, platzten die Worte aus Sedrics Mund. Er begegnete Hests eisig funkelndem Blick. Dessen angespannte Augenpartie und die missbilligend zusammengepressten Lippen verhießen einen Streit. Für Entschuldigungen oder Erklärungen war es zu spät. Wenn Hest erst einmal dieses Gesicht machte, war Zank unvermeidlich. So lange Sedric noch Gelegenheit dazu hatte, konnte er ihm genauso gut seine Meinung sagen. Hest würde ihm früh genug in die Parade fahren und Sedrics Ansicht mit seiner eiskalten, messerscharfen Logik in Stücke schneiden. »Du hast Alise tatsächlich versprochen, dass sie verreisen und die Drachen sehen darf. Das war Teil eurer Eheversprechen. Erst hast du es laut vorgelesen, und dann hast du es unterzeichnet. Ich war dabei, Hest. Auch du erinnerst dich daran, und du weißt, was es ihr bedeutet. Das ist nicht nur eine mädchenhafte Grille, sondern das Hauptanliegen ihres Lebens. Das Studium dieser Kreaturen und die Suche nach wissenschaftlicher Erkenntnis sind Alises einzige Freude, Hest. Ihr das zu verweigern, ist falsch von dir. Damit tust du ihr unrecht. Und so zu tun, als würdest du dich nicht an dein Versprechen erinnern, ist unehrenhaft. Unehrenhaft und deiner nicht würdig.«
    Er hielt inne, um Luft zu holten. Das war sein Fehler.
    »Unehrenhaft?« Hests Stimme klang kühl und ungläubig. »Unehrenhaft?«, wiederholte er, und Sedric merkte, dass sein Atem flacher ging.
    Dann lachte Hest, und das Geräusch schlug wie kaltes Wasser über Sedric herein. »Du bist so naiv. Nein. Nein, das trifft es nicht. Du bist nicht naiv, sondern auf eine kindliche Art und Weise von ›Gerechtigkeit‹ besessen. ›Unrecht‹ ihr gegenüber, sagst du? Nun denn, und was ist mit ›unrecht‹ mir gegenüber? Wir haben eine Abmachung getroffen, Alise und ich. Sie wollte mich heiraten und mir einen Erben gebären, und als Gegenleistung stelle ich ihr mein Vermögen und mein Heim zur Verfügung, damit sie ihre zwanghaften Studien treiben kann. Du hast Einblick in meine Finanzen, Sedric. Hat sie sich in ihrer Suche nach seltenen Manuskripten und Schriftrollen jemals zurückgehalten? Ich glaube nicht. Aber wo ist das Kind, das

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