Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
formuliert? Ich kann mich nämlich nicht erinnern, dass du genau diese Worte vorgelesen hättest. Aber sicher kann ich das offizielle Dokument zurate ziehen, wenn du möchtest. Und wenn ich schon einmal beim Aktenwärter bin, kann ich gleich auch noch die Klausel einsehen, in der du mir versprochen hast, dass ich in die Regenwildnis reisen und die Drachen studieren darf. Allerdings erinnere ich mich an diesen Passus recht genau.«
    Er verkrampfte sich. Sie war zu weit gegangen. Ihr Herz pochte. Hest hatte ein launisches Wesen, und sie hatte schon erlebt, wie er seine Wut an Gegenständen und Tieren ausgelassen hatte. Was keineswegs bedeutete, dass sie vor ihm sicher war. Zweifellos stand sie für ihn auf einer Stufe mit Gegenständen und Tieren. Er bekam ein rotes Gesicht und bleckte die Zähne. Stocksteif stand sie da, als wäre er ein tollwütiger Hund. Vielleicht half ihm ihre Regungslosigkeit, selbst die Beherrschung zu bewahren. Als er endlich etwas sagte, klang seine Stimme tief und angespannt. »Dann denke ich, du solltest in die Regenwildnis gehen.«
    Darauf verließ er wortlos das Zimmer und schlug die Tür so fest hinter sich zu, dass das Wasser in der Blumenvase auf ihrem Schreibtisch hochspritzte. Schlotternd blieb Alise zurück und rang um Atem. Kurz fragte sie sich, ob sie gewonnen hatte. Dann entschied sie, dass sie das nicht kümmerte. Als sie an der Kordel der Klingel zog, um ihre Zofe zu rufen, war sie ihm Geiste bereits mit den Dingen beschäftigt, die sie dringend packen musste.
    »Du hast das Hemd ruiniert.«
    Hest sah von dem Schreibtisch in der Ecke seines Schlafzimmers auf. Verärgert über die Unterbrechung runzelte er die Stirn, die Feder noch immer in der Hand. »Wenn es ruiniert ist, dann ist es eben ruiniert. Ich will nichts davon hören. Wirf es einfach weg.« Er tauchte die Feder ein schrieb wütend weiter. Er hatte schlechte Laune, und es war am besten, wenn Sedric den Mund hielt und Hests Sachen ohne weitere Kommentare fertig auspackte.
    Sedric seufzte. An manchen Tagen konnte er sich nichts Besseres vorstellen, in Hests Diensten zu stehen. Doch dann gab es wieder Tage wie heute, wo er sich fragte, ob er diesen Mann noch eine Minute länger würde ertragen können. Einen Moment verweilte sein Blick auf den Brandlöchern in der blauen Seide des Hemdärmels. Ihm war klar, wie der Schaden entstanden war. Gedankenlos hatte Hest seine Pfeife an der Kutschentür ausgeklopft, und die Funken waren auf den Ärmel gespritzt, bevor Hest die Hand zurückgezogen hatte. Sedric fuhr mit dem Finger über die winzigen Brandlöcher in dem feinen Stoff. Nein, da ließ sich leider nichts mehr machen. Was für ein Jammer.
    Er konnte sich noch gut an den sonnigen Tag erinnern, an dem sie die Seide auf einem Chalcedanischen Markt gekauft hatten. Es war ihre erste gemeinsame Handelsreise nach Chalced gewesen. Ins Ausland zu reisen, um Geschäfte zu machen, war für Sedric eine berauschende Erfahrung gewesen. Als er erlebt hatte, mit welchem Selbstvertrauen und welchem Sachverstand sich Hest im Getümmel des fremden Markts zurechtfand, war sein Freund und heutiger Arbeitgeber in seiner Wertschätzung noch gestiegen. Dennoch war es damals für zwei Händler aus Bingtown nicht ungefährlich gewesen, sich allein auf den Markt der chalcedanischen Hauptstadt zu begeben. Noch war der Krieg in den Köpfen gegenwärtig und der Friede so neu, dass man ihm nicht traute. Auf jeden Kaufmann, der darauf brannte, einen neuen Markt zu erschließen, kamen zwei chalcedanische Soldaten, die es noch immer wurmte, dass Bingtown die Invasion zurückgeschlagen hatte. Und diese Gesellen waren jederzeit bereit, angesichts eines unaufmerksamen Fremden die offene Rechnung zu begleichen. Auch die Witwen, die sich an den Eingängen der Märkte scharten und bettelten, spuckten die beiden Männer aus Bingtown regelmäßig an und bedachten sie mit Flüchen. Waisen bettelten abwechselnd um ein paar Münzen oder warfen mit Steinen nach ihnen.
    Einen Augenblick versank Sedric in Erinnerungen. Die heiße Sonne, die engen, gewundenen Straßen, die Sklavenjungen, die in kurzen Tuniken und mit staubigen, nackten Beinen an ihnen vorbeihasteten, der schwere Duft herben Rauchkrauts, der in Schwaden über den Markt trieb, und die Frauen, die gekleidet mit Spitzen, Seide und Bändern einhergingen wie kleine Schiffe, die statt Menschen Stoffballen transportierten. Am deutlichsten konnte er sich an Hest erinnern, wie er grinsend neben ihm hergegangen

Weitere Kostenlose Bücher