Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
verwachsenes, trockenes Fleisch, und wieder fing Sedric es auf und schaffte es ihr aus dem Weg. Als sie ihm das Messer zurückgab, merkte sie, dass ihre Hände zitterten. »Ich glaube, wir sollten nun nichts mehr tun, bevor wir die Wunde nicht noch einmal gewaschen haben«, schlug sie vor.
    Schnell und sorgfältig verstaute Sedric die Gegenstände in seiner Kiste, als wäre das wichtiger, als den Drachen zu versorgen. Es roch nach Essig, und sie hörte das Klirren von Glas. »Ja, wahrscheinlich«, pflichtete er ihr bei.
    Auf Alises raunende Stimme hatte sie gar nicht mehr geachtet. Doch jetzt hörte sie, wie die Frau sagte: »Aber du würdest gern irgendwohin gehen, nicht wahr? Wo es schön ist. Aber wohin, mein Kleiner? Wohin?«
    Der Drache sagte etwas, aber es war kein Wort, und da begriff Thymara, dass sie noch nie Worte im eigentlichen Sinn gehört hatte. Ihr Gehirn hatte daraus Worte gemacht. Nun »sagte« der Drache im Grunde nichts, aber er erinnerte sich sehr stark an etwas. Und das übertrug sich, sodass auch sie sich an Sonnenstrahlen erinnerte, die ihr auf den geschuppten Rücken brannten. An den Geruch von Staub und Zitronenblüten, der in der Luft lag und sich mit dem Klang ferner Trommeln und einer brummenden Flöte mischte.
    So plötzlich der Sinneseindruck gekommen war, so abrupt verschwand er auch wieder. Sie fühlte sich wie beraubt. Es gab einen freundlichen Ort voller Wärme, Futter und Geselligkeit, ein Ort, der samt seinem Namen in der Zeit verloren war.
    »Kelsingra.«
    Nicht der Silberdrache hatte gesprochen. Der Name drang von mindestens zwei anderen Drachen zu ihr herüber, doch er war wie ein Rahmen zu einem Bild. Er umfasste alles, was der Silberdrache ihnen hatte mitteilen wollen. Kelsingra. Das war der Name des Ortes, nach dem er sich sehnte. Ein Schauer überlief ihn, und danach wirkte er ganz anders auf Thymara. Bestätigt. Getröstet, beinahe.
    »Kelsingra«, wiederholte Alise gedehnt und beruhigend. »Ich kenne Kelsingra. Ich weiß von seinen Springbrunnen und großen Plätzen. Von seinen Steintreppen und den breiten Türen seiner Gebäude. Vom Fluss, der von sanften Weiden gesäumt ist, und von der Quelle des Silberwassers. Die Elderlinge mit ihren fließenden Roben und goldenen Augen pflegten die Drachen zu begrüßen, wenn sie im Fluss landeten.«
    Das schwammige Bewusstsein des Silberdrachen erhielt durch Alises Worte neue Nahrung. Thymara legte dem Wesen eine Hand auf den Rücken. Einen flüchtigen Moment lang spürte sie ihn, wie wenn man auf dem Markt die Hand eines Fremden streift. Auch wenn sie nicht mit Worten sprachen, teilten sie die Sehnsucht nach einem Ort.
    »Aber nicht hier!«, sagte er weinerlich, und Alise murmelte: »Nein, mein Lieber, natürlich nicht hier. Kelsingra. Dort gehörst du hin. Dort müssen wir dich hinbringen.«
    »Kelsingra!«
    »Kelsingra!«
    Die zustimmenden Rufe der anderen Drache überrumpelten Thymara. Sie hatte neben dem Schwanz des Silberdrachen gekauert. Jetzt stand sie auf und stellte fest, dass die Drachen zu Ende gefressen hatten. Einer stellte sich kurz auf die Hinterbeine und rief: »Kelsingra!« Mit einem dumpfen Schlag kam er wieder auf alle viere.
    Sie sah zu Sedric hinüber. Einmal mehr hatte er nur die eine Hälfte des Gesprächs mitbekommen. Hastig übersetzte sie für ihn. »Die Drachen wollen nach Kelsingra. Der Ort, über den Alise mit dem Silberdrachen gesprochen hat. Das ist der Name einer Stadt, an die sie sich alle erinnern.«
    Sie spürte eine gewisse Rastlosigkeit in der Luft, und einer der Drachen warf den Kopf zurück, drehte sich um und lief unvermittelt auf den Fluss zu. »Sie sind fertig mit Fressen. Wir sollten dem hier schnell den Schwanz verbinden und unsere Sachen packen. Bestimmt gibt uns unser Kahn bald das Zeichen zum Aufbruch. Heute Morgen haben sie uns gesagt, dass wir so bald wie möglich losziehen sollen.«
    Als hätten sie nur auf ihre Worte gewartet, verließ ein Drache nach dem anderen die Futterstelle und machte sich Richtung Fluss auf. Zum ersten Mal sah sie, wie sich die Drachen mit einem gemeinsamen Ziel bewegten. Sie ließ eine Hand auf dem Rücken des Silberdrachen ruhen – als ob ihn das zurückhalten könnte. Da erschien Tats mit einem Eimer frischem Wasser. »Gehen die zum Fluss, um zu saufen?«, fragte sie ihn, als wüsste er die Antwort. Sie hatte beobachtet, dass die Drachen sich im Fluss suhlten und sogar von seinem Wasser tranken, was einen Menschen unweigerlich umgebracht hätte.
    Tats

Weitere Kostenlose Bücher