Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
hast getan, weshalb du dich aufgemacht hast. Es ist nicht deine Schuld, dass sie sich nicht als das erwiesen haben, was du dir erhofft hast. Das tut mir leid, Alise. Es ist Zeit, heimzugehen.«
Sie starrte ihn an. Damit war sie nicht allein. Leftrin sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Die beiden jungen Regenwildleute wechselten Blicke, und Tats sagte plötzlich: »Ich glaube, Thymara und ich folgen besser mal unseren Drachen.« Es war die denkbar unbeholfenste Ausrede, um nicht Zeuge eines Streites werden zu müssen, aber das Mädchen war sichtlich dankbar dafür, denn sie nickte eifrig. Sofort verfielen die beiden in einen zügigen Trab und entfernten sich.
Einen Moment noch verharrte Alise schweigend. Offenbar wartete sie, bis die beiden außer Hörweite waren. Sedric konnte förmlich sehen, wie sie ihre Einwände in Position brachte. Es würde Streit geben, ja, aber als zivilisierte Menschen würden sie ihn höflich und besonnen austragen.
Solche Feinheiten hatte man Leftrin eindeutig nicht beigebracht. Ihm war die Farbe ins Gesicht gestiegen. Er schnappte keuchend nach Luft und rang einen Moment um Beherrschung, bevor es aus ihm herausplatzte: »Wie könnt Ihr zu der Dame nur so etwas sagen? Sie kann jetzt nicht mehr zurück. Denn sie ist die Einzige, die etwas über Kelsingra weiß. Außerdem hat sie es versprochen. Sie hat einen Vertrag unterschrieben! Sie darf ihr Wort nicht brechen.«
»Das geht Euch nichts an«, sagte Sedric knapp. Gegen seinen Willen hatte er die Stimme erhoben, denn er fühlte sich beleidigt. Zum einen, weil Leftrin es gewagt hatte, ihm in dieser Sache zu widersprechen, und zum anderen, weil der Kapitän sich auf Alises Seite stellte. Es war so schon schwer genug, sie sicher nach Bingtown zurückzulotsen. Wenn sie in Leftrin auch noch einen Verbündeten sah, würde die Sache nur noch komplizierter werden.
»Geht es wohl«, gab der Kapitän im selben Tonfall zurück. »Sie war dabei, als ich meinen Vertrag mit dem Konzil ausgehandelt habe. Glaubt Ihr denn, ich hätte mich auf diese Reise eingelassen, wenn sie nicht gesagt hätte, dass sie schon von diesem Ort gehört hat und dass er existiert? Ich habe den Auftrag nur angenommen, weil ich davon ausging, dass sie die Expedition als Führerin begleitet, nicht so sehr der Route als der Drachen wegen.«
Sedric sah zu Alise hinüber, doch die schien sich damit zu begnügen, Leftrin für sich sprechen zu lassen. Dennoch richtete Sedric seine Worte an sie. »Du hast vielleicht von der Stadt gehört, aber das heißt doch noch lange nicht, dass du den Weg dorthin kennst. Komm schon, Alise, du bist doch sonst so besonnen und vernünftig. Du bist eine Wissenschaftlerin, keine Abenteurerin. Selbst die Drachin, die mit dir sprechen kann, hat dir nichts Sachdienliches gesagt. Das hast du selbst zugegeben. Und der Silberdrache und der von Tats scheinen auch keine vielversprechenden Erkenntnisquellen zu sein. Wenn du aufrichtig bist, musst du zugeben, dass du mehr davon hättest, wenn du eine Woche in Trehaug verbringen und die verschüttete Stadt besichtigen würdest. Dort gibt es eine wahre Schatztruhe an Forschungsmaterial, das du sichten und übersetzen könntest. Warum kehrst du nicht mit mir dorthin zurück und widmest deine Zeit einer Sache, die nicht nur unser Wissen über Drachen und Elderlinge vermehren, sondern dir auch noch die Achtung der Spezialisten einbringen wird, die du verdienst?« Selbst wenn sie ein paar Tage in Trehaug bleiben müssten, damit Alise sich zufriedengab, wäre das besser, als auf diese hirnverbrannte Reise ins Unbekannte aufzubrechen. Ihm war klar, dass es keinen einfachen Weg zurück mehr gab, wenn sie erst einmal den Kahn bestiegen und die Fahrt stromaufwärts angetreten hätten. Und dieser sture Bock von Kapitän würde sicher nicht eher umkehren, als bis er sein Äußerstes gegeben hatte. »Alise, es ist gefährlich«, fuhr Sedric verzweifelt fort. »Wie kann ich dich auf eine solche Reise begleiten, wie kann ich dir gestatten, dich darauf einzulassen? Ihr habt alle zugegeben, dass ihr nicht wisst, wohin es geht und wie lange die Reise dauern wird. Oder ob die Stadt überhaupt noch existiert. Dies ist ein lächerliches Unterfangen.« Er bestärkte sich in seinem Entschluss und beendete seine Predigt mit: »Wir gehen nicht mit. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
So streng hatte er noch nie mit ihr gesprochen. Eine ganze Weile betrachtete sie ihn schweigend. Sie bewegte den Mund, und er fürchtete,
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