Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
Kanus waren ebenfalls beladen und wurden vom Ufer abgestoßen. Jedes war mit zwei oder drei Drachenhütern bemannt. Im letzten Boot saß Rapskal einsam und verlassen. Seine Miene hellte sich auf, als er Thymara erblickte. »Nun, dann sind wir wohl ein Gespann«, begrüßte er sie. Trotz des Ärgers über diese Situation brachte sie ein Nicken zustande. Tats’ Entschuldigung wurmte sie noch immer. Er wusste, dass das, was er tat, so gemein war, dass es eine Entschuldigung erforderte. Dennoch hielt ihn das nicht davon ab. Diese räudige Ratte.
»Lass mich noch schnell meine Sachen holen«, sagte sie zu Rapskal und lief ins verlassene Lager zurück. Sie schnappte ihren Rucksack und eilte zum Kanu zurück. Mit erhobenem Paddel wartete Rapskal auf sie, und sie schob das Boot in den Fluss. Mit einem Sprung setzte sie über das Wasser hinweg und landete in dem schmalen Gefährt, sodass es heftig schwankte. Immerhin bekam sie so keine nassen Füße. Auch sie griff zu einem stark gewachsten Ruder und half, das Boot in tieferes Gewässer zu lenken. Unter ihren Füßen befand sich ein weiteres Paar Paddel als Ersatz. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie lange ihre Ruder dem Wasser widerstehen würden und wie lange ihr Boot wohl standhalten würde. In letzter Zeit war der Fluss recht milde gewesen und sein Wasser dunkelgrau. Wie jeder, der in der Regenwildnis aufgewachsen war, wusste auch sie, dass der Fluss am gefährlichsten war, wenn er milchig weißes Wasser führte. Wer dann hineinfiel, wäre nach kürzester Zeit blind und am ganzen Körper verbrannt. Das dunkelgraue Wasser, in das Thymara das Ruder tauchte, würde lediglich ein bisschen brennen. Trotzdem sollte man die Berührung damit vermeiden.
Zum ersten Mal war sie mit Rapskal in einem Boot. Zu ihrem Erstaunen stellte er sich als fähiger Ruderer heraus, der akkurat mit ihrem Rhythmus gleichzog. Während sie das Boot mit kräftigen Stößen anschob, steuerte er es geschickt um Baumstümpfe und Sandbänke herum. Sie hielten sich am Rand des Flusses, wo die über das Wasser ragenden Bäume Schatten spendeten und die Strömung nicht so stark war. Bald hatten sie die anderen eingeholt. Greft hatte sich in einem der größeren Boote mit Kase und Boxter zusammengetan. Ihre Ruderschläge waren ungleichmäßig, und Greft nutzte sein Paddel vor allem als Steuer. Mühelos glitten Thymara und Rapskal an ihnen vorbei. Dabei überkam sie ein triumphierendes Kribbeln. Rapskal grinste ihr verschwörerisch zu, und gegen alle Vernunft hob sich ihre Stimmung.
Die Boote der anderen Hüter bildeten vor ihnen eine lose Kette. Sylve und Lecter teilten sich ein Boot, und Warken und Harrikin ein anderes. Alum und Nortel gaben ein gutes Rudergespann ab. Tats und Jerd hatten sich an die Spitze gesetzt, doch ein Anführer war nicht nötig – die Drachen hatten eine untrügliche Spur im seichten Flachwasser und dem angrenzenden Ufersumpf hinterlassen. Das Gestrüpp war niedergetrampelt und lag im Morast, während die tiefen Fußeindrücke in der langsamen Strömung des Flachwassers dunkelgraue Becken bildeten.
»Die sind ziemlich schnell unterwegs, was?«, sagte Rapskal begeistert.
»Im Moment schon, doch ich bezweifle, dass sie das lange durchhalten werden«, gab sie zurück, während sie verbissen weiterruderte. Die Drachen vergrößerten ihren Vorsprung stetig, und Thymara war erstaunt, dass sie sich so zügig fortbewegten. Sie hatte erwartet, dass die flinken Boote mühelos Schritt halten würden, doch jedes Mal, wenn sie aufschaute, waren die Drachen ein Stück weiter entfernt. Selbst der Silberdrache und der Braune hoppelten neben den anderen her. Thymara bemerkte, dass der Silberdrache seinen Schwanz über dem Wasser hielt, und sie hoffte, dass er das auch weiterhin tun würde. Es ärgerte sie, dass sie die Wunde nicht mehr verbunden hatte. Und es ärgerte sie noch mehr, dass Himmelspranke ohne ein Wort abgehauen war. Offensichtlich bedeutete sie der blauen Drachin nur wenig.
»Hast du deine Drachin heute schon gesehen«, fragte sie Rapskal. Sie nahm den Ruderrhythmus wieder auf. Erst würden ihr die Muskeln wehtun. Dann würden sie sich an die Bewegung gewöhnen, und der Schmerz würde nachlassen. Eine Zeit lang würde alles gut von der Hand gehen. Angst hatte sie vor dem Punkt, wenn die Schmerzen zurückkehrten. Denn ganz gleich, wie sehr ihr die Glieder dann schmerzten, sie würde weiterpaddeln müssen, bis sie abends anlegten, um einen Lagerplatz zu finden. Die paar Tage
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