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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wert.
    Hinter sich hörte er ein Geräusch. Sogleich wandte er sich um, um ihr einen Guten Morgen zu wünschen. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, denn Sedric, wie immer wie aus dem Ei gepellt, kam leise auf ihn zu. Gefangen zwischen Neid und Hass sah Leftrin ihm entgegen. Sedrics Frisur war makellos, sein weißes Hemd und die Hosen waren gebürstet und seine Stiefel sauber. Er war frisch rasiert, und die Morgenluft trug einen herben Duft zu Leftrin herüber. Er war der schlimmste Rivale, den man sich vorstellen konnte. Nicht nur, dass er Tag für Tag tadellos gepflegt war, auch seine Manieren waren einwandfrei. Im Vergleich zu ihm kam Leftrin sich bäurisch und primitiv vor. Deswegen hasste er den Mann aus Bingtown so sehr. Wann immer sie zusammen in Alises Gegenwart waren, musste sie die beiden Männer unweigerlich vergleichen, und Leftrin schnitt dabei mit Sicherheit schlechter ab. Das allein war Grund genug, diesen Kerl zu verabscheuen. Aber es gab noch einen weiteren.
    Sedrics unfehlbare Höflichkeit gegenüber Leftrin und seinen Männern konnte die Tatsache nicht verschleiern, dass er sie in Wahrheit verachtete. Leftrin hatte das schon oft erlebt, jede Flussratte hatte das schon. Es gab bestimmte Leute, die einen Seemann beim ersten Anblick abstempelten, schließlich hatten die seit eh und je einen schlechten Ruf. Waren nicht alle Seeleute dumme Saufbolde? Wenn sie erst einmal an Bord waren, ließ diese Verachtung oft nach, weil die Passagiere merkten, dass Leftrin und seine Mannschaft wohl grobschlächtig und ungebildet sein mochten, aber bei ihrer Arbeit äußerst tüchtig und fähig waren. Allmählich lernten die Gäste dann die Bruderschaft kennen, die eine Schiffsbesatzung bildete. Und oftmals verwandelte sich ihre ursprüngliche Geringschätzung in Neid, noch ehe die Reise zu Ende war.
    Aber Sedric gehörte nicht zu dieser Sorte von Passagieren, darüber war sich Leftrin jetzt schon im Klaren. Der Kerl klammerte sich an seine überlegene Position und seine niedrige Meinung von Leftrin, als wäre es das einzige Holzstück, das nach einem Schiffbruch im Meer trieb. Doch seine steife Haltung und der kalte Blick, mit dem er Leftrin nun entgegentrat, hatten nichts mit diesem Vorurteil gegenüber Seeleuten zu tun. Leftrin biss die Zähne aufeinander. Der Stutzer schien entschlossen zu sein, von Mann zu Mann mit ihm zu sprechen. Der Kapitän trank einen Schluck Kaffee und stierte ans Ufer. Dort rührten sich allmählich weitere Hüter. Bald wäre es Zeit aufzubrechen. Heute würde er kein persönliches Gespräch mit Alise führen können. Dafür durfte er mit Sedric mehr Worte wechseln, als ihm lieb war.
    Dieser trat an die Reling. »Guten Morgen, Kapitän.« Sein Tonfall machte deutlich, dass er daran zweifelte.
    »Morgen, Sedric. Gut geschlafen?«
    »Um ehrlich zu sein, nein.«
    Leftrin unterdrückte ein Seufzen. Er hätte wissen müssen, dass dieser Kerl jede Nettigkeit als Brechstange nutzen würde, um ein Gespräch mit seinen Klagen zu verpesten. »Wirklich?«, gab Leftrin zurück und nahm erneut einen Schluck. Der Kaffee war noch immer ein bisschen zu heiß, doch er beschloss, ihn so schnell wie möglich auszutrinken, damit er den Becher wieder füllen und dies als Ausrede nutzen konnte, sich von Sedric zu entfernen.
    »Ja, dies ist in der Tat so«, erwiderte Sedric und sprach die Worte in aufreizender Betonung, in geradezu aristokratischer Manier.
    Leftrin nahm einen weiteren Schluck und entschied sich für einen Angriff. Zwar war er überzeugt, es hinterher zu bereuen, aber Sedrics Unsinn einfach so tatenlos hinzunehmen, würde er noch mehr bereuen. »Ihr solltet körperlich arbeiten. Davon schläft man gut.«
    »Vielleicht solltet ihr es mit einem ruhigen Gewissen probieren. Aber wahrscheinlich habt Ihr auch ohne ein solches gut geschlafen.«
    »Mein Gewissen belastet nichts«, log Leftrin.
    Sedric wirkte wie eine Katze, die im Begriff stand, ihn fauchend anzuspringen. Wütend zog er die Schultern hoch. »Dann belastet es Euch nicht, dass Ihr euch über die Eheschwüre einer Frau hinwegsetzt.«
    Dies konnte Leftrin nicht unbeantwortet lassen. Er wandte sich Sedric zu und fühlte, wie er unwillkürlich Schultern und Nacken anspannte. Sedric wich zwar nicht zurück, verlagerte aber das Gewicht, um schnell reagieren zu können. Leftrin bemühte sich, so ruhig wie möglich zu sprechen. »Ihr beleidigt eine Dame, die Eure Geringschätzung nicht verdient hat. Alise hat nichts getan, was ihre

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