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Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter

Titel: Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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schöne Augen, wenn auch jeder auf seine Weise.
    Sylve war noch immer kaum mehr als ein Kind. Offenbar hatte sie ihr Herz daran gesetzt, Tats auf sich aufmerksam zu machen. Sie tippelte hinter ihm her wie eine am Faden gezogene Puppe. Gestern hatte sie sich Blumen ins Haar geflochten, als könne deren rote Pracht die rosafarbenen Schuppen ihres Kopfs verdecken. Leftrin rechnete es dem jungen Mann hoch an, dass er freundlich zu ihr war, sie aber angemessen auf Abstand hielt, wie es sich bei einem Mädchen ihres Alters gehörte.
    Im Gegensatz zu Sylve schien Jerd in stündlichem Wechsel mit einem anderen Jungen zu liebäugeln. Greft machte ihr mit einer gewissen Wahllosigkeit den Hof. Leftrin hatte beobachtet, wie er sein Boot neben das von Jerd gerudert und versucht hatte, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Aber Jerd war nicht nur bemüht, den Drachen zu folgen, die ihnen vorauseilten, sondern auch ihr kleines Boot mit möglichst vielen Fischen zu füllen. Sie hatte sich Veras mit Leib und Seele verschrieben und striegelte die Drachin jeden Abend, bis die goldenen Tupfen auf ihrem Rücken blitzten wie Goldklumpen auf einer dunkelgrünen Decke. Wenn die Hüter sich abends am Ufer ums Lagerfeuer versammelten, saß Jerd stets bei den anderen Mädchen und überließ es den Jungs, um den Platz an ihrer Seite zu wetteifern. Leftrin musste immer lächeln, wenn er dies beobachtete, auch wenn er sich mit Unbehagen fragte, wohin es führen würde.
    Er hatte nie viel mit Leuten zu tun gehabt, die so deutlich von der Regenwildnis gezeichnet waren. Die meisten von ihnen wurden dem Wald am Tag ihrer Geburt zurückgegeben, denn die Regenwildhändler hatten bereits vor Zeiten erkannt, dass diejenigen, die mit derlei Verunstaltungen zur Welt kamen, entweder mit einem frühen Tod das Herz ihrer Eltern brachen oder eine weitere Generation von Entstellten zeugten, die niemals lange überlebten. Die Regenwildnis war ein rauer Ort. Es war besser, einen Säugling sofort abzustoßen und es mit einer erneuten Schwangerschaft zu probieren, als Liebe und Essen in ein Kind zu stecken, das niemals den Familienstammbaum fortführen konnte. Die kürzliche Einwanderung der Tätowierten hatte frisches Blut in die Regenwildnis gebracht, doch in den Jahren zuvor hatte die Geburtenrate das Sterben stets nur geringfügig überschritten.
    Alise war noch immer nicht erschienen. Am Ufer erhob sich Lecter. In seine Decke gewickelt, stapfte er zur Glut des Lagerfeuers und schob die Enden des Feuerholzes vom vorigen Abend hinein. Eine winzige Flamme flackerte auf, und Lecter hielt die Hand darüber. Warken gesellte sich zu ihm, rieb sich die Augen und kratzte sich im geschuppten Nacken. In den letzten Tagen hatte seine Haut einen Kupferschimmer angenommen, als wolle er besser zu seinem kupferroten Drachen passen. Er begrüßte Lecter herzlich, worauf Lecter etwas sagte, was Warken zum Lachen brachte. Ein kräftiges Jungenlachen, das hell an Leftrins Ohr drang.
    Während Leftrin die Jungen beobachtete, die als Säuglinge eigentlich hätten ausgesetzt werden sollen, kamen ihm Zweifel an der Weisheit der alten Bräuche. Sie wirkten kräftig, wenn sie auch etwas eigentümlich anzusehen waren. Er wünschte ihnen, Jungen wie Mädchen, alles Gute, und dennoch hoffte er, dass sich keine amourösen Beziehungen ergeben würden. Solchen Leuten zu erlauben, Nachkommen in die Welt zu setzen, würde gegen das Brauchtum der Regenwildnis gehen. Bisher hatte er keine Anzeichen ausgemacht, dass die Mädchen eine solche Übertretung gestatten würden. Er hoffte, dass es auch so bliebe, fragte sich gleichzeitig aber auch, ob er womöglich die Pflicht hatte, die Gesetze der Regenwildnis durchzusetzen, falls sie sich paarten. »Tja, Teermann , niemand hat mir gesagt, dass das Teil meines Vertrags ist. Mir ist klar, dass es jedermanns Aufgabe ist, die Gesetze zu ehren, die unser Leben ermöglichen. Aber mein Großvater hat mir immer gesagt, dass jedermanns Aufgabe niemandes Aufgabe ist. Darum kann man mir vielleicht keinen Vorwurf machen, wenn ich diese Pflicht nicht auf mich nehme.«
    Das Schiff antwortete ihm nicht. Das hatte er auch nicht erwartet. Die Sonne spendete Wärme, und der Strom floss gemächlich. Anscheinend genoss Teermann die Ruhepause genauso wie sein Kapitän. Erneut sah Leftrin zu Alises Kammer hinüber. Geduld. Geduld. Sie war eine Dame, und eine Dame brauchte etwas Zeit, um sich hübsch zu machen, bevor sie sich dem Tag stellte. Das Ergebnis war das Warten

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