Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
oder wegen irgendeiner Wette! Das hat mich schon ein wenig überrumpelt, kann ich dir sagen. Doch dann habe ich mich an das erinnert, was du mir erzählt hast. Dass sie zu der klugen Sorte Frau gehört, die sich nicht so leicht hinters Licht führen lässt. Welch furchterregende Geschöpfe, findest du nicht auch?
In aller Eile habe ich meine Strategie geändert und das Blatt zu meinen Gunsten gewendet, indem ich alle Karten offen auf den Tisch gelegt habe. Ich habe ihr gegenüber zugegeben, dass ich keine Liebesheirat mit ihr eingehen wolle, und ich habe ihr sogar gestanden, dass ich sie unter all den Frauen absichtlich deshalb ausgesucht habe, weil sie mein Leben wohl am wenigsten durcheinanderbringen wird. Ach, schau mich nicht so verdrossen an! Selbstverständlich habe ich es ihr gegenüber um einiges taktvoller formuliert. Aber ich habe keine Liebesschwüre getan. Stattdessen habe ich ihr angeboten, dass sie Dienerschaft anheuern könne, damit sie mit dem Haushalt möglichst wenig zu tun hat, und ich habe ihr Geld für ihre ausgefallene Liebhaberei in Aussicht gestellt.«
»Und damit hat sie sich einverstanden erklärt? Sie hat deinen Antrag unter diesen Bedingungen angenommen?«
Wieder lachte Hest. »Oh, Sedric, nicht jeder ist ein idealistischer Romantiker. Die Frau hat das gute Geschäft erkannt, das sich ihr geboten hat. Wie ehrbare Kaufleute haben wir den Handel mit Handschlag besiegelt, und damit war die Sache erledigt. Oder vielmehr: Das ist der Anfang. Denn sie wird mich heiraten und mir einen Erben schenken. Dann wird mir mein Vater nicht mehr in den Ohren liegen, wie wichtig es ist, dass Stimme und Amtstracht der Familie im Konzil einen würdigen Nachfolger finden, bevor er stirbt. Er hat mir schon damit gedroht, meinen Vetter zum Erben zu ernennen, und das nur, weil der so fürchterlich fruchtbar ist. Zwei Söhne und eine Tochter, dabei ist Chet sogar ein Jahr jünger als ich. Dieser Mensch kennt kein Maß. Wenn Alise mir einen Sohn geboren hat, wird Chet es bestimmt bedauern, dass er seine Frau so eifrig bestiegen und geschwängert hat. Der Gedanke daran bereitet mir unverschämtes Vergnügen. Warte ab, was passiert, wenn Chet herausfindet, dass er seine Bälger versorgen muss, aber nicht mehr auf mein Familienvermögen zurückgreifen kann!« Er hob die Hand, schlug sich aufs Knie und lehnte sich selbstzufrieden zurück. Kurz darauf richtete er sich bereits wieder auf, um seinem Freund einen Stups zu geben.
»Na, sag schon was, Sedric! Das ist es doch, was wir gewollt haben, oder nicht? Wir sind frei, zu reisen, uns zu vergnügen, bei unseren Freunden zu sein – nichts ändert sich. Meine Welt ist in Ordnung.«
Sedric verharrte eine Weile schweigend, während Hest die Arme vor der Brust verschränkte und zufrieden kicherte. Der Wagen ruckelte über eine holprige Kreuzung. Erst dann antwortete Sedric: »Und wie willst du einen Sohn von ihr bekommen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich blase die Kerzen aus und schreite mannhaft dem Ziel entgegen.« Ein gefühlloses Lachen folgte. »Manchmal ist die Finsternis der beste Freund des Menschen, Sedric. Im Dunkeln kann ich mir vorstellen, sie wäre irgendjemand anders. Ich könnte mir sogar vorstellen, sie wäre du!« Sedrics entsetzter Gesichtsausdruck entlockte Hest ein hysterisches Gelächter.
Als Sedric eine Entgegnung zustande brachte, sprach er nur sehr leise: »Alise hat etwas Besseres verdient. Wie jeder andere auch.«
Hest spielte den Beleidigten. »Etwas Besseres als mich? Das gibt es nicht, mein Freund, das weißt du genau. Etwas Besseres als ich existiert nicht.« Sein Gelächter hallte durch den Sommertag.
Zweiter Tag des Zuchtmonds
Zweiter Tag des Zuchtmonds
IM SIEBTEN JAHR DER HERRSCHAFT DES ERLAUCHTEN
UND PRÄCHTIGEN SATRAPEN COSGO
IM ERSTEN JAHR DES UNABHÄNGIGEN HÄNDLERBUNDS
Von Detozi, Vogelwart in Trehaug,
an Erek, Vogelwart in Bingtown
Erek,
dies ist nun schon der vierte Vogel, den ich mit einer Kopie dieses Gesuchs absende. Bittet sendet mir wenn möglich einen Vogel mit einer Empfangsbestätigung zurück. Ich fürchte, meine Tauben werden von Falken geschlagen, bevor sie Euch erreichen. In der versiegelten Röhre ist eine Nachricht an das Händlerkonzil von Bingtown. Es ist bereits die vierte Kopie einer Bitte des Konzils der Regenwildhändler um Ratschläge, wie am besten mit den jungen Drachen zu verfahren sei. Meines Wissens enthält dieses Schreiben auch ein Ersuchen um zusätzliche Geldmittel, mit denen Jäger
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