Rain Wild Chronicles 01 - Drachenhüter
großen Vorhabens. Es war getan, und Leftrin empfand keine Reue.
In der Mitte des Tischs standen eine Flasche Rum und einige kleine Gläser. Zwei von ihnen beschwerten eine Papierrolle. Daneben stand ein Fässchen Tinte mit einer Feder darin. Noch eine Unterschrift, und Teermann wäre gesichert. Nachdenklich musterte Leftrin sein Gegenüber. Das grobe Hemd des Steuermanns war mit getrocknetem Schlamm und Teer verschmiert, und unter seinen breiten Fingernägeln sammelte sich silbern schimmerndes Sägemehl. Auch am Kiefer war er verschmiert. Wahrscheinlich hatte er sich dort gekratzt.
Leftrin schmunzelte. Vermutlich sah er genauso schmutzig aus wie der Steuermann. Es war ein langer, harter Arbeitstag gewesen, und keiner von beiden war diese Art von Arbeit gewohnt. Nun näherte sie sich dem Ende, und Swarge war von unschätzbarem Wert gewesen. Denn nicht nur hatte er bereitwillig bei Leftrins kleiner Verschwörung mitgemacht, er hatte auch ohne Murren mit angepackt. Das war eines der Dinge, die Leftrin so sehr an ihm schätzte. Nun war es Zeit, ihn das wissen zu lassen. »Du beklagst dich nicht, du jammerst nicht, und du beschwerst dich nicht, wenn etwas nicht ganz so einfach läuft, wie es sollte. Stattdessen packst du mit an und gibst alles, um es wieder in Ordnung zu bringen. Du bist zuverlässig und verschwiegen. Und deshalb möchte ich dich an Bord behalten.«
Swarge warf einen weiteren Blick auf die kleinen Gläser, und Leftrin verstand. Er entkorkte die Flasche und füllte eine Fingerbreite in die zwei Gläser. »Wasch dir am besten die Hände, bevor du isst oder trinkst. Das Zeug könnte giftig sein«, riet er seinem Steuermann, worauf dieser nickte und sich die Hände an seinem Hemd abwischte. Dann tranken sie.
»Für immer«, gab Swarge endlich zurück. »So haben es mir die anderen erzählt. Du willst, dass ich auf Lebenszeit auf Teermann anheuere. Bis zu meinem Tod.«
»Das stimmt«, bestätigte Leftrin. »Und ich hoffe, dass sie dir auch erzählt haben, dass sich deine Heuer erhöht. Mit unserer neuen Bootshülle brauchen wir keine so große Mannschaft wie bisher. Aber ich werde genauso viel Geld für Mannschaftslöhne ausgeben, und jeder Mann an Bord bekommt einen gerechten Teil davon. Das klingt doch gut, oder?«
Swarge nickte, sah Leftrin aber nicht in die Augen. »Bis zu meinem Tod ist verdammt lange hin, Käpt’n.«
Leftrin lachte laut. »Bei Sas Blut, Swarge, du bist doch eh schon seit zehn Jahren auf Teermann . Für einen Regenwildmann ist das schon das halbe Leben. Was spricht also dagegen, dich dauerhaft zu verpflichten? Da hätten wir beide was davon. Ich kann mir sicher sein, dass ich einen guten Steuermann habe, solange Teermann fährt. Und du hast eine Garantie, dass man dich nicht irgendwann ohne einen Pfennig an Land setzt, weil du zu alt zum Arbeiten bist. Wenn du das unterschreibst, ist das nicht nur für mich, sondern auch für meinen Erben bindend. Gib mir dein Wort darauf, unterschreibe dieses Schriftstück, und ich verspreche dir, dass wir, Teermann und ich, uns um dich kümmern werden, solange du lebst. Swarge, was hast du denn schon außer diesem Boot?«
Darauf antwortete Swarge mit einer Gegenfrage: »Warum muss es für immer sein, Käpt’n? Was ist denn plötzlich anders geworden, dass ich jetzt und auf der Stelle versprechen soll, dass ich ewig mit dir fahre, wenn ich nicht vom Schiff geworfen werden will?«
Leftrin unterdrückte ein leises Seufzen. Swarge war ein fähiger Mann am Steuerruder. Wie kaum ein anderer verstand er den Fluss. In seinen Händen war Teermann sicher. Nach all den Veränderungen, denen das Schiff in letzter Zeit unterworfen worden war, wollte Leftrin keinen neuen Steuermann anheuern. Er blickte Swarge direkt in die Augen. »Du weißt, dass es verboten ist, was wir mit dem Hexenholz gemacht haben. Das muss ein Geheimnis bleiben. Und damit es das bleibt, ist es meines Erachtens am besten, wenn jeder, der darum weiß, etwas davon hat. Und dass alle, die eingeweiht sind, zusammenbleiben.
Bevor wir mit dem Unternehmen angefangen haben, habe ich jeden fortgeschickt, bei dem ich das Gefühl hatte, dass er nicht mit Leib und Seele auf unserer Seite ist. Was jetzt übrig ist, ist eine kleine, handverlesene Mannschaft, von der jeder Kapitän nur träumen kann, und von der ich keinen verlieren will. Denn es geht dabei um Vertrauen, Swarge. Ich habe dich behalten, weil ich wusste, dass du als Jungspund eine Zeit lang Boote gebaut hast. Ich wusste, dass du
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